In eigener Sache

Wir haben auf das Dezemberheft – genauer gesagt: darauf, dass es zu 100 Prozent aus von Autorinnen verfassten Texten besteht – einige Reaktionen bekommen. Die positiven überwiegen bei weitem. Auf die Ablehnung durch vor allem männerrechtlich inspirierte Quotengegner waren wir ohnehin gefasst. Dass es sich um eine zweischneidige Sache handelt, auch dass der Vorwurf der „Ghettoisierung“ kommen würde (und er kam sogleich), war uns  klar. Das ist ein Argument, das wir sehr wohl ernst nehmen, allerdings  schien (und scheint) uns in der Abwägung mehr für als gegen eine solche Aktion zu sprechen.

Zum Vorwurf der „Ghettoisierung“ könnte man erst einmal ganz naiv sagen: Es gab in der Geschichte des Merkur sicher Hunderte komplett von männlichen Autoren bestrittene Hefte. Auf die Idee, da würde jemand „ghettoisiert“, kommt dabei niemand. Umgekehrt wollen wir aus dem Dezemberheft auch keine allzu besondere Sachen machen. Das ist ein Heft, in dem nur Frauen schreiben, ja. Ansonsten unterscheidet es sich von einem normalen Merkur-Heft aber – gar nicht. Wir haben darum zum Beispiel auf ein Editorial verzichtet. Selbst die Autorinnen waren zum Teil nicht im Bilde. Aber umgekehrt gefragt: Wären wir auf die Idee gekommen, einen unserer Autoren zu warnen, dass sein Text in einem reinen Männerheft landet?

Bleibt trotzdem die naheliegende Frage: Wäre es nicht besser, es wären Heft für Heft die Geschlechteranteile ausgeglichen(er), statt dass man so eine „Alibi“-Aktion startet? Klare Antwort: Selbstverständlich wäre es besser. Wir haben uns das vorgenommen, als wir hier anfingen, wir haben in jedem Interview, das wir gaben, deutlich gemacht, dass das zu den vordringlichen Anliegen gehört. Nicht weil wir eine politische Agenda verfolgen oder gar Quotenfetischisten sind, sondern weil unser Eindruck war, dass das Image der Zeitschrift Autorinnen abschreckt. Und zwar leider auch all jene hervorragenden Autorinnen, deren Texte nur ein Gewinn für uns und die Leserinnen und Leser sein können.

Wir haben in den letzten Monaten einiges versucht. Wir haben verstärkt potenzielle Autorinnen angesprochen, wir haben all unsere „Scouts“ um Tipps gebeten, wir haben gezielt Verlagsprogramme und Publikationen studiert, und müssen konstatieren, dass der Erfolg sich bislang in Grenzen hält. Ohne alle Wertung nach den Erfahrungen des ersten Jahres gesagt: Frauen sind im Schnitt skrupulöser und zögerlicher, haben weniger den Drang, sich über Themen zu äußern, die (ihrer Wahrnehmung nach) außerhalb ihrer Kernkompetenz liegen und feilen länger an den Texten.

Und vor allem: Sie schicken uns keine unverlangten Manuskripte. Das Verhältnis ist nicht so, dass Angebote von Frauen eben etwas seltener als solche von Männern wären, sondern: Auf hundert unverlangt eingesandte Texte von Männern kommen rund fünf von Frauen. Beim üblichen Qualitätsschnitt – wir lehnen sicher mindestens zwei Drittel der angebotenen Texte ab – bleibt davon nicht viel. Da das Heft zu einem nicht geringen Teil, nämlich jeweils zu einem Drittel bis zur Hälfte, aus solchen unverlangt eingesandten Texten besteht, ist das schon ein Schlag ins Kontor.   Die Frage, auf die das Heft eine Antwort ist, lautete deshalb sehr einfach: Wie bekommen wir angesichts dieser Lage mehr Autorinnen in den Merkur?

So ist das Dezemberheft aus unserer Sicht zum einen (und in erster Linie) ein normales Heft, auf dem Niveau, das unsere Leserinnen und Leser von uns erwarten. Und zum anderen aufgrund der besonderen Umstände eben auch ein Signal, dass wir es ernst meinen und liebend gerne mehr Texte von Autorinnen drucken würden. Nicht mehr, nicht weniger. Kein Fanal, kein Quotenprodukt, kein Modell für die Zukunft. Nur Nr. 763 im 66. Jahrgang, mit einer kleinen Zusatzbotschaft: Sehr geehrte Damen, liebe Frauen, schicken Sie uns Ihre Texte!

Christian Demand & Ekkehard Knörer