Der MERKUR feiert seinen 75. Jahrgang mit einem Streifzug durch das Archiv von 1947 bis heute. Seit Gründung der Zeitschrift schrieben und schreiben hier einige der klügsten Köpfe zu den Themen der Zeit, und eine verblüffende Vielzahl der Texte lässt sich auch Jahre und Jahrzehnte später noch mit großem Gewinn lesen.

Schon allein wegen dieser Fülle stellt die Auswahl der hier versammelten Texte keine repräsentative Chronik des MERKUR dar, sondern versteht sich als Sammlung von Leseempfehlungen, die Neugier wecken und zu eigenen Erkundungen anregen soll.

Jede Woche schalten wir auf dieser Seite neue Texte frei, die kostenlos zu lesen sind.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht
Ihre

Redaktion MERKUR

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1996 | Ralf Dahrendorf: Warum EUropa?

Das schlimmste an der Europäischen Union ist die gähnende Langeweile, die die meisten ihrer Themen umhüllt. Neulich, im Ständigen Ausschuß des House of Lords für Europafragen, lagen uns wie üblich ein Dutzend Brüsseler Dokumente zur Begutachtung vor: eine Badewasser-Direktive, die Genehmigung einer Kreditlinie für Peru bei der Europäischen Investitionsbank, ein (…lesen)

1997 | Hartmut Häußermann / Walter Siebel: Stadt und Urbanität

Urbanität verbinden wir seit Georg Simmels Essay Die Großstädte und das Geistesleben mit Größe, Dichte und Vielfalt, aber auch mit einer bestimmten Gestalt der Stadt. Dieses Bild enthält drei formale Elemente: Zentralität, also ein bauliches und funktionales Gefälle vom Zentrum zur Peripherie; Gegensatz zum Land, also ein klar ausgeprägtes Gegenüber von Stadt und Land; (…lesen)

1998 | Gustav Seibt: Kann eine Biographie ein Werk zerstören?

Die Stunde Null des Jahres 1945 hat stattgefunden. Als das Morden und der Krieg zu Ende waren, mußten unzählige Menschen neu anfangen, die Vertriebenen und Gefangenen, die aus Lagern und Armeen Entlassenen, die aus dem Exil Heimkehrenden, die überlebenden Opfer und die schuldigen Täter, die mitschuldigen Mitläufer, auch ungezählte sehr junge Menschen, (…lesen)

1999 | Aleida Assmann: Ein deutsches Trauma?

Wir sind inzwischen davon abgekommen, Geschichte und Gedächtnis als polare Gegensätze zu denken. Eine solche Gegensatzkonstruktion ging von einem Bild der Geschichtswissenschaft als einem abstrakten und standpunktlosen überindividuellen Suchprozeß aus, dem auf der Seite des Gedächtnisses die lebendigen, das heißt subjektiv begrenzten und (…lesen)

2000 | Hannelore Schlaffer: Philosophie und Pornographie

»Alle Weisheitsbäume senken sich ins Fraueninnere hinab.« Das Bild, das Peter Sloterdijk im ersten Band seiner Sphären (1998) für den Ursprung der Kulturen wählt, verbindet zwei Pole, die bislang wenig voneinander wußten: Weisheit und Frauen. Sloterdijk ist der bekannteste Vertreter einer Gruppe von Männern, die ihre welt- und urgeschichtlichen Entwürfe (…lesen)

2001 | Paul Nolte: Konservatismus in Deutschland: Geschichte – und Zukunft?

Die tiefe Krise der CDU seit der Niederlage bei der Bundestagswahl 1998 und der Verwicklung der Partei in eine Vielzahl von Spenden- und Schwarzgeldaffären ist mehr als ein Zusammenbruch des »Systems Kohl«, auf dem die institutionelle Stärke der CDU seit 1973 beruhte, als der rheinland-pfälzische Ministerpräsident 43jährig zum Parteivorsitzenden gewählt wurde. (…lesen)

2002 | Eberhard Moths: Deutschland einig Altenland

Der moderne Homo oeconomicus ist kinderlos und kurzsichtig. In der Bundesrepublik realisiert jedenfalls jeder durchschnittliche Einkommensbezieher mit dieser Merkmalskombination eine ansehnliche Verhütungsprämie. Mit einem Kind, auf das verzichtet wird, lassen sich allein an Erziehungskosten bis zum achtzehnten Lebensjahr gut 200000 Euro sparen. (…lesen)

2003 | Burkhard Müller: Die Flügel des Gedächtnisses

Tradition − das ist der geglückte Stoffwechsel des Gedächtnisses mit dem Wissen. Das Wissen gehört immer der Gesellschaft insgesamt an, es hängt in seinem Bestand nicht davon ab, daß dieser oder jener es hat, es trägt archivalischen Charakter; nichts setzt ihm Grenzen. Das Gedächtnis hingegen liegt im Vermögen des Einzelnen und bleibt in dessen beklemmender Endlichkeit gefangen. (…lesen)

2004 | Wolfgang Kemp: Die Selbstfesselung der deutschen Universität

Die Diskussion um die Hochschulen wird von interessierten und von arglosen Teilnehmern an den entscheidenden Vorgängen vorbeigelenkt. Deswegen ist dies hier nicht ein weiterer Beitrag zur Legitimation irgendwelcher Fächer oder Fachgruppen oder der Wissenschaft generell im größeren Kontext der »Wissensgesellschaft«. Und erst recht ist hier nicht die Rede von (…lesen)

2005 | Karl Schlögel: Sichtbarkeit der Zeit. Skizze für ein Museum der Transformationsperiode

Das mittlere und östliche Europa nach 1989 war der Hauptschauplatz dessen, was man im Wissenschaftsjargon als Übergangs- oder Transformationsperiode zu nennen sich angewöhnt hat. Mit nicht geringem personellen und finanziellen Aufwand ist ein regelrechter Forschungszweig neu etabliert worden. Transformationsstudien, »studies in transition«, Transitologie waren (…lesen)

2006 | Ingo Meyer: Niedergang des Romans?

Zählen niederer Status im literarischen Gattungsgefüge und moralische Bedenklichkeit der Wirkungen des Romans zu den Topoi der Kritik bis weit ins 19. Jahrhundert, so die Klagen über seinen Niedergang, ja seine Unmöglichkeit zur konstanten Begleitmusik seiner modernen Geschichte. Und doch scheint sich seit einiger Zeit etwas verschoben zu haben. So unterschiedliche Autoren wie (…lesen)

2006 | Jügen Paul Schwindt: Schwarzer Humanismus. Brauchen wir eine neue Alte Philologie?

Philologie ist heute nichts, das man ohne weiteres mit der Moderne verbindet. Sie hat es ja in der Regel gerade nicht mit dem Heute, sondern dem Gestern zu tun. Das gilt nicht nur für die alten Philologien, die klassischen (also Latein und Griechisch) wie die orientalischen (also etwa Hebräisch, das Arabisch des Koran, das Altpersische und Altindische), sondern in gewisser Weise (…lesen)

2007 | Herfried Münkler: Heroische und postheroische Gesellschaften

Die Figur des Helden ist ein gesellschaftliches Faszinosum, von der Ilias als der ersten großen Darstellung heroischer Werte und Lebensformen bis zu den Hollywoodproduktionen unserer Tage, die ihre für den Kassenerfolg ausschlaggebende Spannung nicht selten aus dem Aufstieg, Triumph und Untergang des Helden beziehen. Dabei ist der Held keineswegs zwangsläufig ein Krieger (…lesen)

2008 | David Wagner: Für neue Leben

Der Anruf kommt um kurz nach zwei. Ich habe zu Mittag gegessen und sitze in meinem Arbeitszimmer, es ist der 31. Juli 2007, und der Mann am Telefon sagt: Herr W., wir haben eine Leber für Sie. Auf diesen Anruf, ich habe ihn gefürchtet und ersehnt, habe ich gewartet. Seinetwegen habe ich mein Telefon seit mehr als zwei Jahren nicht mehr ausgestellt. (…lesen)

2009 | Walter Grasskamp: Die Welt als Museum. Nachruf auf eine Metapher

1987 erschien im Merve-Verlag ein kleines Buch mit dem ebenso rätselhaften wie suggestiven Titel Die Welt als Museum. Es enthielt zwei aus dem Zusammenhang genommene Kapitel eines ansonsten nicht ins Deutsche übersetzten Buches des französischen Soziologen Henri-Pierre Jeudy, das 1985 in Paris unter dem Titel Parodies de l’auto-destruction erschienen war. In diesen beiden (…lesen)

2010 | Kathrin Passig: Das Buch als Geldbäumchen

Ich war der beste Freund der Buchbranche. In meiner Kindheit herrschte Büchernot − die Stadtbücherei war nur mit dem Auto zu erreichen, alle zwei Wochen brachte man mich hin, aus pädagogischen Gründen durfte ich nicht mehr als vierzehn Bücher entleihen. Später lieh ich nicht mehr gern, ich kaufte lieber, und ich kaufte viel. Wenn ich es mir leisten konnte, griff ich zur bibliophilen Ausgabe. (…lesen)

2011 | Uwe Volkmann: Verführung des Absoluten

Mit dem Parlamentarismus in Deutschland hat es seit jeher seine eigene Bewandtnis. Die meiste Zeit über hat man ihn als eine Einrichtung anerkannt, auf die man aus praktischen Gründen nicht verzichten kann, wie ein notwendiges Übel, das seine Existenz letztlich nur dem Mangel einer besseren Alternative verdankt. Wirklich ins Herz geschlossen hat man ihn hierzulande nur selten. (…lesen)

2012 | Christoph Schönberger: Hegemon wider Willen. Zur Stellung Deutschlands in der Europäischen Union

Die Nachrichten überstürzen sich. Jeder Monat, jede Woche, bald schon jeder Tag ruft alle Grundfragen der Nachkriegsordnung Europas gleichzeitig auf. Nichts von den mühsam-kunstvollen Konstruktionen, die Westeuropa nach 1945 entwickelt und der wiedervereinigte Kontinent nach 1989 bestätigt und vertieft hat, erscheint in der europäischen Staatsschuldenkrise noch selbstverständlich. (…lesen)

2013 | Ingo Meyer: Notizen zur gegenwärtigen Lage der Ästhetik

Rüdiger Bubner hat vor vierzig Jahren einen vielbeachteten Aufsatz mit dem lapidaren Titel Über einige Bedingungen gegenwärtiger Ästhetik publiziert, der auch heute noch die Lektüre verlohnt, da hier Kardinalprobleme des eigentümlichbegriffslosen ästhetischen Gegenstands, von Schein und Wahrheit, Werkbegriff und Wirkung, klar und angenehm kompakt benannt, aber (…lesen)

2014 | Silvia Bovenschen: »Wenn der lahme Weber träumt, er webe, …«

Ich besitze ein Dokument, ein kurzes Schreiben, eigentlich ist es nur ein datiertes Briefchen aus dem Jahr 1956, das mich als frühe Schriftstellerin ausweist. Ich bin zehn Jahre alt, beginne einen Roman, komme aber über den Anfang nicht weit hinaus. Angelegt ist eine dramatische Handlung, in die dreizehn Kinder und neun Hunde – ausnahmslos problematische Charaktere – kunstvoll verwickelt sind. (…lesen)

2014 | Stephan Herczeg: Journal (XX)

Im Aldi-Prospekt ist schon Herbst. Und in mir auch. Mit Sommergefühlen habe ich für dieses Jahr abgeschlossen, mein innerer Blattabwurf hat begonnen, und die Gemütsverdunkelung setzt früher ein. Ich sitze an einem Samstagnachmittag in einem Fußgängerzonen-Café und lese abwechselnd die Neue Zürcher Zeitung und den Aldi-Prospekt. (…lesen)

2015 | Danilo Scholz: Zwei, drei, viele Houellebecqs. Zu den Nach- und Nebenleben eines Autors

Die Kunst, so schrieb der Ethnologe Claude Lévi-Strauss in Das wilde Denken, nimmt ihren Platz auf »halbem Wege zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und mythischem oder magischem Denken« ein. Sie versucht, historische Ereignisse aus ihrer unbehauenen und unerträglichen Kontingenz in eine sinnhafte Struktur zu überführen. (…lesen)

2016 | Holger Schulze: Trinken gehen, Bus fahren. E-Books und kleine Formen

Ob in den Salons des 19. oder im Kulturbetrieb des 20. Jahrhunderts – Verbindlichkeit wird in ambitionierten Lebens- und Arbeitsumgebungen durch geteilten Rauschmittelkonsum besiegelt. Für unternehmerische wie akademische Arbeitsumgebungen gilt dies ebenso, auch wenn es hier eher diplomatisch-konspirativ oder als Ausgleichssport camoufliert wird. (…lesen)

2017 | Alina Herbing / Lena Vöcklinghaus (Hg.): Sexismus an Hochschulen (Dossier)

Nach 7 Wochen und 29 Texten beenden wir nun mit dem achten digitalen Konvolut das Dossier „Sexismus an Hochschulen“. Das bedeutet nicht, dass wir der Meinung sind, es wäre alles gesagt. Ganz im Gegenteil, wir hoffen, dass das Nachdenken und die Diskussionen über Diskriminierung an Hochschulen, im Literaturbetrieb, in der Theaterszene und andernorts (…lesen)

2018 | Philip Manow: “Dann wählen wir uns ein anderes Volk…” Populisten vs. Elite, Elite vs. Populisten

Bei den Debatten, die momentan unter dem Oberbegriff »Populismus« stehen, gewinnt man mitunter den Eindruck, hier gäben vornehmlich Repräsentanten der Oberschicht zu Protokoll, wie sehr sie mittlerweile von der Unterschicht angewidert sind. Denn die wählt doch tatsächlich anders, als ihr vorher – natürlich nur mit den allerbesten Absichten und mit sehr vielen guten Gründen – nahegelegt worden war. (…lesen)

2019 | Sonja Asal: Landschaft mit Windrädern

Das Schwarzwalddorf, in dem ich aufwuchs, zählte etwa zweihundert Einwohner. Es gab dort ein Hotel, zwei Gasthöfe, einen Tante-Emma-Laden und ein Postamt. Dienstags parkte die »fahrende Volksbank« ihren mobilen Schalterraum in der Dorfmitte, mittwochs hatte die Sparkasse ihren Kassenraum geöffnet. Im Schulhaus wurden die ersten beiden Klassen gemeinsam von der (…lesen)

2020 | Moritz Rudolph: Zerfall und Überschuss. Thüringen als politisches Formproblem

Maßlosigkeit der Mitte: Wenn die Deutschen, wie Thomas Mann von Dostojewski gelernt hatte, ewige Protestanten sind, die sich immer wieder gegen die Welteinheit stellen (was er 1918 gut- und 1945 schlechtgeheißen hatte), dann bilden die urprotestantischen Thüringer das Zentrum dieses Unruheherds. Dadurch hat sich Thüringen in der deutschen Geschichte zuverlässig als Ort der (…lesen)

2021 | Ulrich Gutmair: Kebabträume in der Mauerstadt

Sommer 1978. Die Düsseldorfer Band Mittagspause ist auf dem Weg nach West-Berlin. George Nicolaidis steuert den Wagen. Drin sitzen Sänger Janie Jones alias Peter Hein, Gitarrist Mary Lou Monroe alias Franz Bielmeier, Schlagzeuger Markus Oehlen und Gabi Delgado-López. Gabi spielt bei Mittagspause Diktafon. Manchmal singt er mit. Vor allem aber tanzt er auf der Bühne. (…lesen)

2021 | Diedrich Diederichsen: Am Stammtisch der Sachlichkeit: Markiertes Sprechen in Deutschland

Die Deutschen oder besser die Deutschsprachigen diskutieren, seit sie nicht mehr oder nur eingeschränkt vor die Tür gehen können, das, was sie Identitätspolitik nennen. Vorher hatte es das auch schon gegeben, und es hat ähnlich geklungen, aber es hat nicht so viel bewirkt; denn es gab ja noch die so genannte soziale Realität da draußen, in der jede und jeder sich immer schon (…lesen)

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