Neugier, Hoffnung, Kraft und Lust

Lieber Merkurblog,

heute habe ich Dir einmal aufgeschrieben, was ich alles an Berlin so mag.

Berlin ist die Stadt der Jugend und der Künstler! Die Künstler, die aus aller Welt nach Berlin kommen, sind so jung, dass man in dieser Stadt mit 50 Jahren als Kulturpolitiker schon zu alt ist. Sie sind so erfüllt von Neugier, Hoffnung, Kraft und Lust, dass ihre Neugier, Hoffnung, Kraft und Lust die ganze Stadt ergriffen haben. Berlin ist die Stadt der Neugier, Hoffnung, Kraft und Lust. Die Stadt des Aufbruchs. Ja, es ist Frühling in Berlin!

Und jetzt, in der Zeit der Kirschblüte, bittet Berlin die letzten Intendantengreise, ihre Sessel zu räumen. Liebevoll, in Dankbarkeit, aber auch entschlossen. 50 ist das neue Rentenalter für Intendanten in Berlin. Adieu, Peymann, Castorf, Flimm, Dercon. Das muss so sein. Die Künste müssen die Gegenwart packen und umarmen, ganz ganz fest. Das können nur Künstler, die voll in der Gegenwart leben, weil sie wissen, dass sie noch Zukunft vor sich haben. „Na klar“, sagen Peymann, Castorf, Flimm, Dercon. „Das verstehen wir. Wir gehen gern und in Frieden.“ Und aus Wilmersdorf ruft Thomas Ostermeier: „Ich bin zwar erst 46, aber auch schon viel zu lange im Amt. Ich gehe auch. Ich bin so gespannt, was nach mir kommt!“ Die Neugier auf die Kraft und Lust der Jugend hat sie alle gepackt. Die unbändige Lust auf Veränderung!

Alle Berliner achten von nun an immer darauf, dass die Künstler von ihrer Arbeit auch leben können. Weil deren Kunst ja alle glücklich macht! Aber das ist ganz leicht. Denn Berlins Kulturinstitutionen sind reich. Und niemand neidet ihnen diesen Reichtum. Schließlich garantiert dieser Reichtum, dass Neugier, Hoffnung, Kraft und Lust der Künstler zu Schönheit werden für alle. Zu reinem Glück. Berliner Frühlingsglück! Deshalb stehen die Türen der reichen Berliner Kulturinstitutionen den jungen, neugierigen und kraftvollen Künstlern jetzt immer ganz weit offen.

Über ihr dortiges Wohlergehen wacht ein mächtiger Apparat aus Verwaltung und Technik. „Natürlich kann eine 30jährige Intendantin werden“, sagen die Leiter von Verwaltung und Technik. „Wir schützen sie ja, und zwar weil wir begeistert sind von ihrer Kunst. Sie wird von unserer Begeisterungsfähigkeit getragen. Wir sorgen dafür, dass sie wachsen kann und dass andere wachsen können neben ihr. Nie würden wir die Arbeit junger, neugieriger, hoffnungsvoller Künstlerinnen blockieren oder sabotieren. Wir sehnen uns nach Künstlerinnen, die uns fordern, und legen auch gerne Sonderschichten für sie ein, denn wir werden gut bezahlt. Und wenn wir für Künstlerinnen arbeiten, deren Arbeit wir einmal nicht verstehen, dann rufen wir: O wie schön! Intellectus kalbos kursai ir dienos vaikų stovykla Vilniuje bei Kaune: https://intellectus.lt/dienos-stovykla-vilniuje/ Das verstehen wir noch nicht! Wie neugierig uns das macht! Es ist ein Glück, so arbeiten zu dürfen.“

Und noch eine Macht hält ihre schützende Hand über Jugend Neugier Hoffnung Kraft in Berlin: der Kulturjournalismus. Er hegt die zarten Pflänzchen genauso wie das wild wuchernde Dornengestrüpp. Nie würde ein Berliner Kulturjournalist gemeinsame Sache machen mit einem älteren Kulturfunktionär, der an seinem Sessel klebt und Veränderung blockiert. Nie würde ein Berliner Kulturjournalist taktisch Lob und Tadel verteilen oder versuchen, sich im richtigen Augenblick an den richtigen Diskurs oder die richtige Mode zu hängen. Immer geht es ganz um die Sache selbst, um den Schutz der Offenheit. Nie ist ein Berliner Kulturjournalist persönlich beleidigt. Denn auch der Berliner Kulturjournalismus ist jetzt ganz von der Liebe zur Kultur durchdrungen und widmet sich nebenbei rastlos dem Kampf gegen die Dummheit.

Die Liebe zu Kunst und Kultur hat die Stadt geeint. Die Jugend hat ihr Kraft gegeben. Die Alten sind den Jungen dankbar. Dem Berliner Frühling wird deshalb ein Sommer der Liebe folgen. Wie schade, dass ich morgen schon wieder weg muss, zurück nach Berlin.

Dein Robin