Heft 869, Oktober 2021

Das Adjektiv »alttestamentarisch«

Zum Verhältnis von Sprachpolitik und historischer Semantik von Kathrin Wittler

Zum Verhältnis von Sprachpolitik und historischer Semantik

Im deutschen akademischen und journalistischen Sprachgebrauch ist das Adjektiv »alttestamentarisch« allgegenwärtig. Germanistinnen untersuchen alttestamentarische Motive. Kunsthistoriker beschreiben alttestamentarische Figuren. Musikwissenschaftlerinnen erklären, dass Opern auf alttestamentarischen Sagen beruhen. Religiöser Fanatismus folgt ebenso wie die Militärtaktik des israelischen Staates laut deutschen Medienberichten dem »alttestamentarischen Vergeltungsprinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn«, und Akteure aus Politik und Wirtschaft legen mitunter »alttestamentarische Härte« an den Tag. Noch die entlegensten Themen gewinnen durch das Adjektiv an Drastik. So erklärt beispielsweise Martin Zips in der Süddeutschen Zeitung vom 29./30. Mai 2021, der Maikäfer werde mitunter als eine »geradezu alttestamentarische Bedrohung für den Pflanzenwuchs« angesehen.

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