Heft 918, November 2025

Die Farbe ihres Passes

von Patrick Hönig

I.

Warum wir nicht in Deutschland heiraten, fragte man uns nur in Deutschland. Und es ist nicht so, als hätten wir uns nicht kundig gemacht. Nichts überstürzen, sagte uns der Standesbeamte im Beratungstermin. Er gab uns Formulare, mit deren Hilfe meine Frau einen Antrag würde stellen können, um nach der Ausreise für die Hochzeit wieder einreisen zu können. Und bevor wir verheiratet wären, also vor der Wiedereinreise meiner Frau, würde das zuständige Oberlandesgericht prüfen, ob wir es ernst meinen mit dem Heiraten.

Das wollten wir lieber selbst entscheiden, meine Frau und ich. Wir kannten uns acht Jahre, lange genug, schien uns, um zu beurteilen, was der nächste Schritt für uns sein sollte. Ringe ließen wir uns schnell noch machen, bei einer Goldschmiedin im Viertel. Ringe seien eine Frage des Typs, des Teints und manchmal auch der Pigmentierung, sagte sie, und da hatte sie Recht. Wir haben nicht die gleichen Ringe, meine Frau und ich. Meiner schimmert rötlich, der meiner Frau gelblich. Jetzt waren wir also in Dänemark, auf einer kleinen Insel, auf die sich im Januar kaum ein Paar verirrt, es sei denn, um miteinander die Ehe einzugehen.

Es war eine kleine Hochzeitsgesellschaft, die sich im Standesamt der dänischen Insel eingefunden hatte. Außer meiner Frau und mir waren nur drei weitere Personen im Raum, die Standesbeamtin, die, wie sie sagte, auf der Insel geboren war, aber lange im europäischen Ausland gelebt hatte, und unsere beiden Trauzeuginnen, zum einen unsere Fotografin, die für das Wochenende aus Manchester angereist war, zum anderen die Chefin der Agentur, an die wir uns mit der Bitte um einen kurzfristigen Termin zur Eheschließung gewandt hatten. Auch sie war »von der Insel«, aber geboren in Japan und in der Welt herumgekommen.

Die Zeremonie war kurz. Meine Frau und ich legten unsere Pässe und Geburtsurkunden vor, außerdem hatte ich eine Meldebescheinigung mitgebracht, dann sahen wir uns in die Augen und sagten: Ja. Niemand in der Runde schien es an diesem Freitagvormittag eilig zu haben, und so stießen wir mit einem Glas Champagner an und plauderten ein wenig. Den Korken der Flasche gab man uns mit, als Glücksbringer, ein dänischer Brauch. Dann zogen wir los und machten mit unserer Fotografin Hochzeitsbilder in den leeren Gassen des kleinen Ortes, im Schilf und am Strand. Natürlich habe ich ein Lieblingsfoto. Es zeigt meine Frau von hinten, eiligen Schritts auf der Straße am Meer; sie rafft das Hochzeitskleid ein wenig, und darunter sieht man die Boots, die sie in der Kälte trägt.

Für den Abend gab man uns einen Tipp: die kleine Gastwirtschaft in dem Gebäude, in dem wir untergekommen waren, ein ehemaliges Handelskontor. Wir setzten uns dazu, in Jeans und Pulli, und bestellten eines der beiden Gerichte, die zur Auswahl standen, und ein Bier. Jemand sagte beiläufig »Glückwunsch«, und wir sagten »Oh«. Offenbar waren wir beim Fotografieren nicht unbemerkt geblieben, man hatte uns zugesehen.

Eine rauschende Ballnacht gab es nach unserer Rückkehr nach Deutschland nicht. Ein Essen mit der Familie, also meiner Familie, eines mit Freunden, also meinen Freunden, dann besuchte meine Frau weiter den Deutschkurs an der Volkshochschule, und ehe wir uns versahen, war die Zeit um, und meine Frau musste wieder ausreisen. Aber warum, fragten Familie und Freunde, ihr seid doch jetzt verheiratet. Das stimmte, aber es nützte nichts, auch nicht, dass wir alle Unterlagen beisammenhatten, die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nötig gewesen wären. Eine Ehe, die in einem Land der EU geschlossen wird, ist zwar in jedem anderen Land der EU gültig, aber die »Dänemarkehe«, wie sie im Migrationsrecht heißt, ist bei deutschen Behörden nicht beliebt. Es geht ums Prinzip. Wer mit einem Schengen-Visum eingereist ist, hat mit Ablauf der Besuchszeit auch wieder auszureisen; ändern lässt sich der Status, egal was passiert, nicht mehr. Meine Frau würde also ausreisen, die deutsche Botschaft in Afrika ein Visum zur Wiedereinreise erteilen, und dann würde meine Frau wiederkommen und bleiben können. Als meine Frau, die sie ja schon war.