Die Rechte der Sklaven
Dylan C. Penningroth wirft ein neues Licht auf die Zeit vor der Bürgerrechtsbewegung von Eric FonerDylan C. Penningroth wirft ein neues Licht auf die Zeit vor der Bürgerrechtsbewegung
Auf ihrem Höhepunkt in den 1960er Jahren hat die Bürgerrechtsbewegung zu heftigen Verwerfungen in der amerikanischen Gesellschaft geführt. Im Lauf der Zeit wurde sie dann in eine Erfolgsgeschichte des Fortschritts integriert, die davon berichtet, wie ein auf weißer Vorherrschaft bestehendes System durch eines ersetzt wurde, das gewiss nicht perfekt ist, aber doch entschieden näher am Ideal der Gleichheit vor dem Gesetz. Teilnehmer an dem, was manche »Freiheitskampf« nannten, waren nicht zuletzt mutige Aktivistinnen und Aktivisten, die im Jim-Crow-Süden ihr Leben aufs Spiel setzten, und eine Reihe von Bürgerrechtsanwälten. Beispielhaft ließen sich Charles Hamilton Houston und Thurgood Marshall vom NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) nennen, die in einer Folge von bahnbrechenden Fällen die Bundesgerichte davon überzeugten, dass das um 1900 instituierte Rechtssystem der Südstaaten die von der Verfassung versprochenen Rechte Schwarzer Amerikanerinnen und Amerikaner verletzte.
Vor diesem Triumph des Rechts hatten die Schwarzen im Süden, jedenfalls der von Dylan Penningroth so genannten »großen Erzählung der Bürgerrechte« zufolge, wenig Vertrauen in das Rechtssystem und unternahmen alles, gar nicht erst damit in Kontakt zu geraten. Das klingt intuitiv sehr einleuchtend. Warum sollten Afroamerikaner glauben, dass sie vor Gerichten, die doch im Dienst der Aufrechterhaltung der weißen Vorherrschaft standen, gerechte Urteile bekommen könnten? Da schien es sich zu empfehlen, diese Gerichte, wenn es irgend ging, zu vermeiden.
Penningroth, der Geschichte und Recht an der Universität Berkeley lehrt, ist der Ansicht, dass die aktuelle Forschung zum Entstehen der Bürgerrechtsbewegung auf einer ganzen Reihe von Missverständnissen in Bezug auf das »rechtliche Leben« Schwarzer Amerikaner beruht.1 Mit denen will er aufräumen. Selbst in den Zeiten der Sklaverei, insistiert er, wussten Schwarze mehr über Rechtsprinzipien, als man sich heute vorstellen will. Aus Erfahrung und Beobachtung destillierten sie etwas, das Penningroth »Ziegenverstand« nennt (er folgt damit einer Prägung des Schwarzen Pachtbauern Ned Cobb, des Protagonisten von Theodore Rosengartens Bestseller-Roman All God’s Dangers aus dem Jahr 1974) – ein praktisches Wissen über die Regeln und Konzepte des Rechts.
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