Heft 909, Februar 2025

Dieser Typ. Über Binyavanga Wainaina

von Jeremy Harding

Binyavanga Wainaina wurde 2005 zu einem afrikanischen Literaturstar, als die britische Zeitschrift Granta seinen Text How to Write About Africa veröffentlichte, mit Tipps für Reiseblogger, Journalisten und Entwicklungshelfer, die über Afrika schreiben. »Vermitteln Sie unbedingt den Eindruck, dass Afrika ohne Ihr Eingreifen und Ihr wichtiges Buch dem Untergang geweiht ist«, hieß es darin: »Bei Ihren Protagonisten müssen Sie immer auch die hungernde Afrikanerin unterbringen, die halb nackt durch das Flüchtlingslager irrt und auf das Wohlwollen des Westens wartet.« Afrikanische Charaktere »sollten bunt, exotisch, überlebensgroß sein – aber innerlich leer«; Tiere hingegen müssten »als ausgeprägte, komplexe Charaktere betrachtet werden […] Elefanten etwa geben gute Feministen oder würdevolle Patriarchen ab. So wie Gorillas.«

Der Essay war einerseits komisch, andererseits aber auch schmerzhaft für alle, die sich von außen kommend über Afrika äußern. Wie konnten sie in dem Spiegel, den Wainaina ihnen vorhielt, nicht die eigene Vermessenheit erkennen? Die Anthropologie war das einzige Fachgebiet, über das sich lustig zu machen er nicht mehr geschafft hat, weil er 2019 an den Folgen eines Schlaganfalls starb, ein paar Jahre nachdem bei ihm HIV diagnostiziert worden war. Er bleibt einer der großen anglophonen Satiriker des postkolonialen Afrika.

Wainaina wurde 1971 in Kenia geboren und ging 1991 für ein Studium der Betriebswissenschaft nach Südafrika, das er jedoch abbrach. Er ließ sich in Kapstadt nieder, wo er als Journalist mit Beiträgen zu Ernährungsfragen und Catering-Aufträgen einigermaßen über die Runden kam (er war ein hervorragender Koch). Allerdings setzten ihm die erbitterten Auseinandersetzungen in der Regenbogennation so zu, dass er Anfang der 2000er Jahre nach Kenia zurückkehrte. Er hatte in Südafrika Texte veröffentlicht und war mit anderen afrikanischen Schriftstellern zusammengekommen, unter anderem mit Chimamanda Ngozi Adichie, in einem aufblühenden digitalen Raum, in dem Schreibende aller Genres sich über ihre Manuskripte austauschten. Im Jahr 2002 bewarb er sich mit einer älteren Geschichte für den Caine Prize, das afrikanische Pendant zum Booker Prize. Discovering Home, ein krawalliger Bericht über die Rückkehr in seine Heimat, war lange auf dem Schreibtisch eines Redakteurs in den USA versauert und schließlich ohne die von Wainaina geforderten Änderungen in den Druck gegeben worden. In aller Eile schickte der nun eine neue Version an die Online-Zeitschrift g21net und reichte sie bei den Caine-Juroren ein, die sie mit der Begründung ablehnten, g21 sei kein seriöses, sprich kein Printmedium.

Für Wainaina war diese rückwärtsgewandte Unbeweglichkeit der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, nachdem sich sein Frust über die afrikanische Verlagsszene über viele Jahre aufgestaut hatte. In den 1960er Jahren träumten die Herausgeber von Heinemanns African Writers Series noch davon, ihre Bücher vom Lager über die Buchhandlungen zu einer Leserschaft auf dem ganzen Kontinent zu liefern, scheiterten aber an der Logistik. Afrikanische Verlage waren dünn gesät, und die erforderliche Infrastruktur war so gut wie nicht vorhanden.

Der afrikanische Film sah sich mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert und wurde schnell zu einer Nischensparte für ein amerikanisches und europäisches Publikum, da es in Afrika selbst weder lokale Finanzierungsmöglichkeiten noch ein Vertriebsnetz gab. Die großen afrikanischen Regisseure machten sich einen Namen außerhalb des Kontinents, wo sie auch das Geld für ihre Projekte aufgetrieben hatten. Während des Kalten Kriegs gab es in Afrika kaum ein Kino, das etwas anderes als Kung-Fu-Filme, Bollywood oder alte Schinken aus Hollywood und dem Sowjetblock im Programm gehabt hätte.

Die bemerkenswerten Erfolgsgeschichten der analogen Ära waren die gleich auf Videokassette veröffentlichten Nollywood-Filme der frühen Neunziger und die »free music« (afrikanisch und nichtafrikanisch), die in den 1970er Jahren dank Audiokassetten einen Aufschwung erlebte, weil sie unter der Hand vervielfältigt werden konnte, auch wenn das jedem Urheberrecht zuwiderlief. Wainaina aber ging es nicht darum, die Fahne der Piraterie hochzuhalten, als er die Entscheidung der Caine-Jury öffentlich kritisierte. »Wenn in den letzten zwölf Monaten keine einzige Sammlung von Texten oder Kurzgeschichten in Afrika gedruckt wurde«, fragte er sie, »wo, denkt ihr, bekommt ihr dann Einsendungen her?«

Es gibt Sätze wie Hammerschläge in Discovering Home, genau von der Art wie sie Menschen gefallen, die Literaturpreise vergeben: »Kenias Wirtschaft ist kurz vor dem Kollaps, aber wir marschieren weiter wie Safari-Ameisen auf Treibjagd.« Und lyrische Momente gibt es auch: »Im Kikuyu-Gras am Straßenrand glänzen Tränen in der silbrigen Farbe eines Lichts, das es nur in der Erinnerung gibt.«

Die Jury überlegte es sich schließlich doch noch anders und verlieh Wainaina den ersten Preis. Das Preisgeld investierte er in eine Literaturzeitschrift mit Sitz in Nairobi, Kwani? (»Na und?«). Das Magazin startete mit einer Printausgabe (und blieb bei diesem Format). Die erste Ausgabe präsentierte Werke der kenianischen Schriftstellerin Muthoni Garland, des tansanischen Karikaturisten Gado und einen Beitrag von Njabulo Ndebele über die südafrikanische Sängerin Brenda Fassie. Die Kurzgeschichte Weight of Whispers von Yvonne Adhiambo Owuor gewann den Caine-Preis im darauffolgenden Jahr.

Wainainas Granta-Essay katapultierte ihn als afrikanischen Solo-Astronauten ans literarische Firmament. Das war etwas ganz anderes als in der frühen postkolonialen Ära, in der die Schriftstellerinnen und Schriftsteller des Kontinents dem Rest der Welt als Team Afrika vorgestellt worden waren: Wole Soyinka, Chinua Achebe, Ngũgĩ wa Thiong’o, Bessie Head, Mongo Beti, Es’kia Mphahlele – um nur einige zu nennen. Wainaina selbst war bescheiden, was seinen Aufstieg anging: Er sah sich als einen von vielen jungen Schreibenden, die eine panafrikanische Literatursprache für das 21. Jahrhundert aus der Taufe hoben.

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