Heft 852, Mai 2020

»Free Rider«

Leitbild der deutschen Gesundheitspolitik von Josef Franz Lindner

Die deutsche Politik neigt mitunter dazu, sich politisch unbequemer, zumal ethisch umstrittener Entscheidungen im Vertrauen darauf zu entziehen, dass andere Länder oder Organisationen dies erledigen. Solche Free-Rider-Mentalität zeigte sich früher vor allem in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wo Deutschland lange Zeit eigenes Engagement zurückstellte und auf den Einsatz der Partner vertraute. Heute legt sich das deutsche Datenschutzrecht – gezwungen durch das Bundesverfassungsgericht1 – für die Übermittlung von Daten durch oder an Polizeien, Sicherheitsbehörden oder Nachrichtendienste selbst enge Fesseln an, man nimmt aber gerne von ausländischen Diensten Informationen entgegen, die in Deutschland selbst nicht erhoben oder übermittelt werden dürften.

Ein Bereich, in dem das politische Free-Riding besonders ausgeprägt ist, ist die Gesundheitspolitik und dort vor allem die Biomedizin und der Grenzbereich von Leben und Tod. Die schier endlose Diskussion über die Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik, die schließlich 2011 mit dem Erlass einer restriktiven Regelung im Embryonenschutzgesetz ein (vorläufiges) Ende gefunden hat, ist ein deutlicher Beleg dafür, wie schwer sich der Gesetzgeber in Deutschland insbesondere mit biomedizinischen Themen tut.

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