Große Mehrheit, was nun?
Nach der Wahl in Großbritannien von James ButlerKeir Starmer ist jetzt das zentrale Faktum der britischen Politik. Es ist ihm gelungen, eine außergewöhnliche Mehrheit zu erreichen. Seine Vorlieben und Commitments werden das Land formen. Eine Welle des Ekels über den Konservatismus hat ihn an die Regierung gebracht. Die Sehnsucht nach einem Wechsel hat sich sozialdemokratisch gekleidet, aber der Ekel richtet sich gegen das ganze System: Die gesunkene Wahlbeteiligung und der Erfolg der unabhängigen Pro-Gaza-Kandidaten, der Grünen und von Nigel Farages Reform-Partei lassen eine weit stürmischere erste Amtszeit erwarten, als man noch vor nicht allzu langer Zeit vermutet hätte.
Es wäre ohnehin lächerlich, wollte Starmer zum Antritt einfach strahlenden Optimismus verbreiten. Wenn das ein Neubeginn ist, dann ein sehr ungewisser. Starmer hat immer wieder auf seine einfache Herkunft und seine Jedermann-Eigenschaften hingewiesen, er ist aber auch jemand, der Festlegungen ausweicht und seine Ansichten wechselt. Sein Wahlmanifest hat »Wechsel« versprochen, aber wirklich festgelegt hat er sich in nur wenigen Punkten.
Anders als Tony Blair erbt Starmer ein kaputtes und dysfunktionales Land. Wo Blair auf einem Boom surfen und von einer friktionslosen, im Zeichen der Ökonomie vereinten Welt träumen konnte, steckt Starmers Großbritannien in einer Dauerkrise fest, ist ökonomisch halbtot und von einem tiefen – wenngleich gut begründeten – Zynismus erfasst, was die Politiker und die Fähigkeit des Staats zur Verbesserung des Lebens der Menschen betrifft.