Heft 876, Mai 2022

In Stein gemeißelt

Kalte Medien schreiben heiße Geschichte von Mona Leinung

Kalte Medien schreiben heiße Geschichte

In Bristol wurde im Sommer 2020 das Denkmal des Sklavenhändlers Edward Colston gestürzt und dem Hafenbecken des Avon überlassen, in Boston eine Statue von Christoph Kolumbus einen Kopf kürzer gemacht. Standbilder von König Leopold II. in Belgien waren nach einem Farbbombenangriff blutrot, ebenso Figuren des Reichskanzlers Bismarck in Hamburg und Köln. Die Empörung richtet sich bei diesen rituellen »Tötungen« von Denkmälern häufig gegen die rassistischen und kolonialistischen Seitenstränge der Geschichte, über die die glorifizierten Darstellungen in Monumenten hinwegzutäuschen versuchen.

Wenn Protestierende gerade diese Statuen von historischen Protagonisten des Kolonialismus stürzen, schänden oder zerstören, dann stellen sie damit die Vorstellung infrage, dass die Menschheit eine gemeinsame, von allen respektierte Geschichte besitze und das materielle Vermächtnis dieser Geschichte bewahrt werden müsse. Man kann solche Aktionen der Zerstörung, des Vom-Sockel-Holens und des Beschmierens von Statuen in die Tradition des Bildersturms stellen.

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