Heft 905, Oktober 2024

Interessante Menschen

Die Expo-Monologe von Pascal Richmann

Die Expo-Monologe

1.

Hier spricht Ralf W. Schmitz. Das W. ist wichtig, ich bin ja der Archäologe. Seit ich denken kann, wollt ich diesen Beruf ergreifen, etwas tun, wo ich auch meine Hände benutze. Wenn man so will, hat sich mein ganzes Leben in Steinbrüchen abgespielt. 1965 wollt ich nicht mal mit nach Amerika – ich wollt im Sandkasten hocken bleiben, bei meinen Asseln und Ameisen. Am Tag der Abreise hab ich mir dann einen Strohhalm in den Mund gesteckt und so lang im Sand gewühlt, bis ich ganz verschwunden war. Mutti wusste natürlich, wo sie mich finden würde. Und ich bin ihr auch dankbar, dass sie mich ausgebuddelt hat, sonst hätte ich die Expo verpasst, New York, das war ja etwas Besonderes, vor allem für einen Vierjährigen.

Mit dem It’s-a-Small-World-Ride bin ich fünf- oder sechsmal gefahren, und weil ich bei jeder Runde eine Dose Pepsi bekam, war ich total wacklig auf den Beinen, als wir weiter zu Sinclairs Dinoland sind. So wie der UNICEF-Pavillon von Pepsi gesponsert wurde, warb das Dinoland für den damals berühmten Tankstellenbesitzer. Um auszugleichen, dass er früher Mussolini unterstützt und amerikanische Politiker bestochen hatte, und auch weil die PR-Abteilung annahm, Erdöl wäre aus Dinosauriern entstanden, wählte sie einen friedlichen Dino als Logo.

Jahrzehnte später, ich lehrte schon an der Uni Bonn, hat mir eine Studentin erzählt, sie habe sich wegen der Disney-Serie Die Dinos eingeschrieben, wegen Earl, Fran und Robbie Sinclair. Wenn man so will, sind unsere Leben mit dem Namen eines ganz gemeinen Verbrechers verbunden.

Eine andere Leidenschaft, die ich von der Expo mitgebracht hab, sind Freizeitparks. Mutti hatte mich ’67 zur Eröffnung des Phantasialands mitgenommen, seitdem wollt ich jeden Tag in Brühl verbringen. Schon damals war das kein gewöhnlicher Märchenwald. Es gab dort ja auch die Wildwest-Eisenbahn und das Hawaii-Restaurant. Am besten aber gefiel mir, dass man das Phantasialand in eine stillgelegte Braunkohlegrube gebaut hatte. Und weil ich grad erst sechs geworden war, kam es mir vor, als hätte der Bergbau Hänsel und Gretel zu Tage gefördert, als lägen im Boden noch mehr von ihnen verborgen.

Kurz danach öffnete auch bei Bottrop ein Märchenwald, es sollte aber noch zehn Jahre dauern, bis aus den darunterliegenden Schächten nicht Karbon und Perm, sondern frühere Erdzeitalter aufstiegen: der Traumlandpark, Europas größtes Dinosaurier-Freilichtmuseum. Sechzehnjährig bin ich da jedes zweite Wochenende hin, die anderen hab ich im Phantasialand verbracht, in der Westernstadt Silver City, wo mir im Saloon kleine Bitburger serviert wurden.

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