Heft 906, November 2024

Life on Mars?

von Albert Burneko

Der Mars hat keine Magnetosphäre. Hier könnte man sofort aufhören, weiter über die Besiedlung des Roten Planeten durch den Menschen zu sprechen. Aber natürlich wird trotzdem immerzu weiter darüber diskutiert. Klar, man braucht nur einen kostengünstigen Plan für einen, Moment, aktiven Dynamo, den man dem toten Kern des Mars implantiert. Kein Plan? Nein? Egal, kein Problem. Gibt bestimmt eine andere nachhaltige und umsetzbare Idee, wie man die Bewohner des Mars gegen die tödliche solare und kosmische Strahlung abschirmen könnte? Nein. Hm. Naja, dann lass uns über etwas vergleichbar Realistisches sprechen, zum Beispiel den Bau eines Apartmentkomplexes in Mittelerde.

Verstehe. So schnell will sich den Mars keiner ausreden lassen. Gut. Stellen wir uns vor, das Fehlen eines Magnetfelds sei aus irgendeinem Grund nicht weiter problematisch. Machen wir uns also an die Simulation des Lebens auf dem Mars. Schritt eins: Wir räumen unsere Gefriertruhe leer. Schritt zwei: Wir sperren uns darin ein. (Das Handy kann mit, da wollen wir mal nicht so sein.) Bei ganz großem Hunger können unsere Liebsten uns von draußen Lebensmittel reinreichen, allerdings frühestens neun Monate später. Diese Neun-Monats-Frist gilt auch, wenn wir gegen die Wand zu hämmern beginnen und darum bitten, dass man uns rauslässt. 

Glückwunsch. Wir haben nun erfolgreich simuliert, was es bedeutet, auf dem Mars zu leben, sobald wir das Problem gelöst haben, dass es auf dem ganzen Planeten nicht genug Luft für einen einzigen Atemzug gibt. Ja, wir sind bei der Simulation leider auf jämmerliche Weise krepiert. Wir werden niemals auf dem Mars leben. 

Sprechen wir über das Atemproblem. Die Atmosphäre der Erde ist reich an Sauerstoff vor allem dank der Grünpflanzen, die hier Photosynthese betreiben. Wir haben wirklich verdammt viele Grünpflanzen hier. Manche denken, wir könnten die Atmosphäre des Mars atembar machen, indem wir ein paar Grünpflanzen auf ihn transportieren: Sie werden das Sonnenlicht gierig verschlingen und Sauerstoff produzieren, den können die Menschen dann atmen. Das ist der, ääh, Kreislauf des Lebens (?) – oder so ähnlich. Diese Idee nennen sie »Terraforming«.

An dieser Stelle der Diskussion möchte ich zwei liebe Freunde von mir ins Spiel bringen. Ihre Namen sind »Der Südpol« und »Der Gipfel des Mount Everest«. Der Südpol befindet sich 2800 Meter über dem Meeresspiegel und wie alle anderen Teile der Erde ungefähr 44 Millionen Meilen näher an der Sonne als irgendein Punkt auf dem Mars. Er sitzt eingekuschelt in die nährstoffreiche Atmosphäre eines Planeten, auf dem es von Leben wimmelt. Verglichen mit dem allerwirtlichsten Platz auf dem Mars ist der Südpol ein unvorstellbar fruchtbarer Garten Eden. Im Folgenden die Liste pflanzlichen Lebens, das hier wächst: nichts. Und die Liste all der Tiere, die sich hier fortpflanzen: keine. 

Trotz der enormen Vorteile, die der Südpol im Vergleich zum Mars hat, obwohl er sich auf einem Planeten befindet, auf dem lebende Wesen Milliarden und Abermilliarden Jahre Zeit hatten, sich anzupassen und in einem unfassbar reichhaltigen Spektrum von Biomen zu gedeihen – auf einem Planeten, auf dem gigantische Röhrenwürmer lichtlose Ozeantiefen kolonisieren, in denen Menschen wie eine Traube unter einem Klavier zermatscht würden; selbst auf einem solchen Planeten ist komplexes Leben am Südpol unmöglich. Es ist zu kalt, die Beziehung zum Sonnenlicht zu erratisch. Aus astronomischer Perspektive ist es praktisch derselbe Ort wie die an Leben reichsten und biodiversesten Stellen des bekannten Universums, und doch ist es keiner Spezies gelungen, hier eine dauerhafte, sich selbst erhaltende Population aufzubauen. Niemals. 

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