Partikular /Universal
James Baldwins Verhältnis zu Malcolm X und Martin Luther King von René AguigahNo Name in the Street
1968/69 verbrachte James Baldwin mehrere Monate in Hollywood – beziehungsweise in einem Umkreis von zwei, drei Autostunden, der Beverly Hills ebenso umfasste wie das damals Schwarze Viertel Watts in Los Angeles, den Strand am pazifischen Ozean und die mondäne Wüstenstadt Palm Springs. Dem Aufsteiger aus Harlem, obwohl ihm Glamour längst nicht mehr fremd war, zu schweigen vom Leben in Hotels, wurde das Beverly Hills Hotel, wo er untergebracht war, zur gespenstischen Umgebung. »Die Leute in der Bar, in der Lounge, in den Fluren, auf den Spaziergängen, in den Swimmingpools, in den Geschäften schienen ebenso entwurzelt wie ich, schienen unwirklich.«1 Die gesellschaftliche Spaltung in Schwarz und Weiß, in hyperreich und vernachlässigt arm, die er doch auf der Insel Manhattan in allen Details kannte, wirkte in den urbanen Weiten von Los Angeles noch einmal neu auf ihn: »Die Autofahrt von Beverly Hills nach Watts und zurück ist eine lange und beschwerliche Fahrt – ich hatte manchmal das Gefühl, als würde mein Körper über diese Meilen gestreckt […] Diese beiden Welten würden einander niemals treffen, und diese Tatsache war ein Vorbote des Unheils für meine Landsleute und für mich.«
Ausgerechnet in diesem Hollywood widmete er sich der Lebensgeschichte jenes ehemaligen Gangsters, der es zum Wortführer der Schwarzen in den Ghettos des Landes gebracht hatte: Die Autobiography of Malcolm X, in Malcolms Todesjahr 1965 erschienen,2 sollte auf die Leinwand gebracht werden, und Columbia Pictures gewann Baldwin dafür als Autor. Ein Projekt, das ihm übrigens, als er am Rande einer Fundraising-Veranstaltung davon erzählte, einen argwöhnischen Blick von Martin Luther King einhandelte, sei es wegen dessen distanziertem Verhältnis zu Malcolm X, sei es aus Misstrauen Hollywood gegenüber.
Baldwin reizte der Auftrag nicht zuletzt deshalb, weil er auf einen Einstieg in die Kinobranche spekulierte. Seit seinem ersten Roman hatte er auf Verfilmungen seiner Bücher gehofft.3 Doch nicht nur die sozialen Akklimatisierungsschwierigkeiten in Los Angeles machten ihm zu schaffen, auch in der Zusammenarbeit mit Columbia klemmte es von Anfang an. »Der Konflikt bestand einfach zwischen meinem Leben als Schriftsteller und meinem Leben als – nicht eben als Sprachrohr, aber als öffentlicher Zeuge für die Situation der Schwarzen«, schreibt Baldwin – was hier konkret bedeutet: Er reiste immer wieder für Auftritte bei Bürgerrechtsveranstaltungen zurück an die Ostküste und saß weniger an der Schreibmaschine in seinem Westküsten-Hotel, als es der Exklusivvertrag mit Columbia vorsah.