Skizzen einer Stadt im Krieg
von Alla MelentevaSchutzmodus
Den ganzen Frühling und Sommer hindurch wurde Kyiv fortwährend beschossen, in der Nacht, und manchmal auch am Tag. Die Luftabwehr, die Drohnen und Raketen vom Himmel holte, ließ mich nicht schlafen; aus irgendeinem Grund wachte ich immer wieder auf, kurz bevor ein Patriot-System, in der Nähe verborgen, auf seine Ziele zu schießen begann. Davor, nicht danach, weiß der Teufel warum.
»Ich habe euch alle und eure beschissenen Krieg so was von satt«, sagte ich (das ist, scheint mir, eine ganz normale Reaktion eines aufgeklärten Mitglieds einer fortschrittlichen Gesellschaft bei solchen Gelegenheiten) und legte mich wieder schlafen, wenn ich denn konnte. Und wenn nicht, scrollte ich durch die nächtliche Nachrichtendosis auf meinem Handy, um die Zeit vergehen zu lassen.
An einem Morgen im Juni starben drei Menschen, darunter ein Kind, andere wurden durch die Trümmer einer russischen Rakete verletzt, nachdem sie aus einem Schutzraum ausgesperrt worden waren. Ein Security-Mann in der Nachtschicht hatte sich geweigert, die Tür aufzumachen, weil irgendein Boss ihm befohlen hatte, sie geschlossen zu halten. Es kam zu einem großen Skandal. Zahlreiche Beobachterkommissionen, zusammengesetzt aus allen möglichen Sorten von Inspektoren und Experten, darunter auch lokale Aktivisten und aufmerksamkeitssüchtige Social-Media-Influencer, schwärmten aus, um die Schutzräume der Stadt zu inspizieren. Die Behörden öffneten eilig alle Keller und Tiefgaragen, was natürlich ein wahres Fest für die Obdachlosen der Stadt war. Einmal fand ein »Volksinspektor« einen »Schutzkunden« dieser Art in einem dieser Räume.