Heft 857, Oktober 2020

Too Too-Much Much

Ein neuer Blick auf International Art English von Wolfgang Kemp

Ein neuer Blick auf International Art English

International Art English, IAE, so heißt die Formel, die Alix Rule und David Levine 2012 geprägt haben, in einem Text, der 2018 noch einmal unverändert, aber mit kritischen Stellungnahmen und einer Bibliografie veröffentlicht wurde.1 Der Erscheinungsort ist in beiden Fällen die Internet-Zeitschrift Triple Canopy; auf Deutsch erschien der Aufsatz 2013 im Merkur.2 Im englischsprachigen Raum wurde der Text aufmerksam registriert und heftig diskutiert; in Deutschland blieb ein Echo aus.3 Das 2016 herausgebrachte Handbuch Sprache in der Kunstkommunikation hat die Arbeit nicht einmal bibliografisch verzeichnet.

»International Art English«: Auch der Untertitel und vor allem das im Original gesperrte Wort sind wichtig: »On the rise – and the space – of the art-world press release«. Die generelle Bezeichnung »art« ist auf zeitgenössische Kunst einzuschränken; die Sprache ist Englisch, die Sprecher, besser: Schreiber sind überall auf der Welt tätig. Das Material, aus dem Rule und Levine die wesentlichen Züge dieser Lingua franca des Kunstfelds extrahieren, ist die kleine Form der Pressemitteilungen, wie sie Galerien, Museen und Ausstellungshäuser herausgeben und auf der Plattform e-flux publik machen. Natürlich können die anonym bleibenden Autoren in der gebotenen Kürze nicht beschreiben, vergleichen, erläutern, deuten und urteilen. Ihre Texte sind auch ohne diese Darstellungsarten von hohem Interesse, weil sie den Kunst-Diskurs (ihr Wort) zu einem Präparat konzentrieren und natürlich immer topaktuell sein müssen. In ihrer hochverdichteten Form werden sie selbst unverwechselbar: Rule und Levine nennen diese Sprache »oddly pornographic«. »We know it when we see it. No one would deny its distinctiveness.«4

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