Heft 871, Dezember 2021

Wettbewerb ist für Verlierer

von David Runciman

Peter Thiel tanzt auf so vielen Hochzeiten, dass man gelegentlich nicht mehr mitkommt. Er hat PayPal mitgegründet, womit er die Grundlage für seinen frühen Reichtum legte, wie auch für den Elon Musks. Er ist der Mann, der in Sachen Mark Zuckerberg und Facebook eine etwas unheimliche Vorahnung besaß und beiden als Investor den Weg zur globalen Vorherrschaft ebnete. Er ist der Mann, der die Online-Gerüchte-Website Gawker in den Bankrott zwang, indem er Hulk Hogans Verleumdungsprozess finanzierte. Das war der Abschluss einer jahrzehntelangen Vendetta, die damit begann, dass Thiel von Gawker als schwul geoutet wurde. Zwar hat Thiel selbst einen Stanford-Abschluss, rief aber trotzdem ein Stipendienprogramm ins Leben, das es schlauen jungen Leuten ermöglicht, aufs College zu verzichten und sogleich ins Leben ihrer Träume unter der Obhut von Peter Thiel im Silicon Valley zu starten.

Er war ein früher und lautstarker Unterstützer von Trumps Präsidentschaftskandidatur und hielt 2016 eine unvergessen gruselige Rede auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner. Als Vorsichtsmaßnahme angesichts der drohenden Apokalypse hat er die neuseeländische Staatsbürgerschaft erworben und sich dort ein rund 2000 Quadratkilometer großes Grundstück zugelegt, auch wenn er kaum je Zeit im Land verbringt. Er war ein wichtiger Finanzier des Seasteading Institute, das auf den Ozeanen unabhängige Communitys ins Leben rufen will, frei von jeder staatlichen Kontrolle. Wie einige andere Tech-Titanen ist Thiel sehr daran interessiert, dem Prozess des Alterns zu trotzen, oder besser noch, ihn ganz zu besiegen. In der Biologie ist er dem neuartigen Feld der Parabiose besonders verbunden, das sich mit Bluttransfusionsexperimenten von jungen zu alten Menschen befasst. Als er 2018 auf einer Veranstaltung der New York Times dazu befragt wurde, antwortete Thiel: »Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ich kann öffentlich versichern: Ich bin kein Vampir.«

Gibt es eine Philosophie, die dieses verwirrende Spektrum von Aktivitäten verbindet? Max Chafkin sucht nach einer solchen in seiner Schilderung von Thiels Karriere und Leben, aber sehr gründlich ist er, um ehrlich zu sein, dabei nicht.1 Dafür leistet er hervorragende Arbeit, wenn es darum geht, die einzelnen Elemente der Thiel-Mythologie je für sich zu analysieren. Nichts ist dabei so ganz, was es scheint. Nehmen wir etwa Thiels Ruf als weitsichtiger Investor und früher Entdecker weltverändernder Talente. Es ist wahr, dass er 500 000 Dollar in Facebook steckte, als das gesamte Unternehmen noch kaum zehn Mal so viel wert war. In Aaron Sorkins Drehbuch zu The Social Network wird Thiel als der rücksichtslose Schlipsträger porträtiert, der begreift, dass das Unternehmen nur eine interne Restrukturierung vom Riesenerfolg entfernt ist. (In Mike Jugdes’ Serie Silicon Valley taucht Thiel als der schräge Visionär Peter Gregory auf, der Verbindungen erkennt, die alle anderen übersehen, wie etwa die zwischen den Mustern auf Burger-King-Brötchen und dem Preis von Sesamsamen-Termingeschäften.)

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