Merkur Nr. 497, Juli 1990

Unsere Presse. Neue Folge
So sind Jungs – Magazine nur für ihn

von Katharina Rutschky

 

Während wir schon dreizehnjährige Schülerinnen als Frauen definieren, sind auf der Gegenseite die sogenannten Männer fast ausgestorben. Von Herren spricht ja sowieso keiner mehr – doch wird dieser Verlust durch den Untergang der Damen wenigstens ausgeglichen, wohingegen frau sich manchmal fragt, wie der da sich selbst verstehen will, wenn er nicht mal weiß, wie er von sich sprechen soll. Wer hat schon jemanden außerhalb einer Selbsterfahrungsgruppe seine Rede mit den Worten »Ich als Mann« oder gar »Wir Männer« einleiten hören? Uns dagegen geht der entsprechende Ausdruck leicht und hilfreich von den Lippen und garantiert uns eine schöne Basisidentität. Die Umstände, unter denen auch heute noch von Männern explizit die Rede ist, sind teils bedenklich, teils sehr speziell. Im krassen Gegensatz zu unserer Selbsterforschungs- und Plappersucht steht das Bemühen der Gegenseite, jede Selbstreflexivität zu vermeiden und statt dessen nun, zum Beispiel das Auto mit einer Zentralverriegelung nachzurüsten, die bei einem Viertürer nicht gerade nötig, aber doch irgendwie möglich und daher praktisch sein soll. »Wer mit Schraubenschlüssel und Bohrmaschine umgehen kann, baut die Zentralverriegelung leicht an einem Tag ein … In die Türen kommen kleine Elektromotoren, die durch ein Gestänge mit der Schloßverriegelung verbunden werden. Und der elektrische Anschluß ist ebenso problemlos gemacht. Wer es dann noch eine Stufe bequemer will, kann die Anlage um eine Infrarot-Fernbedienung erweitern, dann öffnen alle Schlösser sich ringsherum per Knopfdruck.« (Auto-Bild) Natürlich werden nur wenige Leser für ein paar hundert Mark den Schloßbausatz kaufen und zur Tat schreiten. Die Frage bleibt aber: Was sind das für Wesen, welche die Erzählung über die Zentralverriegelung als ein informatives Schmeckewöhlerchen zu genießen wissen?

Ohne Zweifel gehört ja der Traum von der Zentralverriegelung mit Infrarot-Fernbedienung nicht in unsere Welt, auch wenn wir später das Knöpfchen mitbenutzen können. Trotzdem ist von Männern als den Träumern nie die Rede, nur von Autos, Hi-Fi-Anlagen, Computern, Fußball, Bodybuilding und Surfen. Eine Ausnahme von dieser Regel bildet das Heimwerker- Magazin Selbst ist der Mann aus erklärlichen Gründen. Der Haus- und Wohnungskult, der dort gepflegt wird, setzt nicht nur die entsprechenden Räumlichkeiten – zumindest einen Hobbykeller, Platz für Werkbank und Maschinchen voraus, sondern vor allem soziale Beziehungen, Frau, Familie, Kinder, Verwandte, Freunde und dergleichen in hinreichender Zahl. Wie soll sonst ein Grillwagen in Funktion treten? Ein Gartenpavillon? Ein Hoch- und Spielbett? Der Heimwerker braucht ein Heim als Hintergrund, vor dem seine Obsession weniger deutlich zu erkennen ist als die der anderen. Das befremdlich Selbstzweckhafte seines rastlosen Bau- und Basteltriebs wird man dennoch nicht übersehen. Warum muß ein Abstell- und Ankleideraum durch den Einbau von Schiebetüren einer »Verjüngungskur« unterzogen werden? Wer glaubt, daß man Kindern ein »Paradies zum Klönen, Klettern und Kuscheln« – bauen kann? Vielleicht ist das der spezifische Irrtum des Heimwerkers, daß er davon überzeugt ist, Paradiese würden immer gebaut, und auch er hätte die Möglichkeit dazu. Nach allem, was man weiß, ist aber das Paradies ein Waldstück mit freilaufenden Tieren und Menschen, die ebenso unschuldig sind wie sie. Daß man dorthin unter Verwendung eines »Winkelschleifers« gelangt, »mit 700 Watt um die Ecke«, »mit zehntausend Umdrehungen pro Minute frißt sich die Scheibe ins Stahlrohr«, »Winkelschleifer trennen, schleifen, polieren und entrosten einfach alles und jeden« undsoweiter – davon hat man noch wenig gehört …

Einmal von der Kombination mit dem Winkelschleifer und verwandten Geräten abgesehen, gibt es Männer noch zusammen mit Mädchen; eigentlich eine Spezies, die es für uns Frauen schon lange nicht mehr, allenfalls noch als Kategorie für hilfsbedürftige und mißbrauchte gibt, seit nämlich eine Pionierin vor vielen Jahren den Nachweis erbracht hat, »Mädchen werden nicht geboren«, sondern in diese mediokre Seinsweise hineingeschüchtert oder hineinkomplimentiert. Männer mit Mädchen sind also im Playboy und artverwandten Magazinen nicht Väter mit ihren unemanzipierten Töchtern, sondern Männer vor dem sexuellen Dessert. Vielleicht weil die Leser mit spezielleren Interessen inzwischen richtige Pornographie kaufen, vielleicht aber auch aus anderen Gründen ist der Stellenwert der Sexualität für die unkundige Leserin überraschend niedrig, entspricht wirklich dem des Desserts nach einem Essen mit vielen Gängen. Das geschieht unter der bekannten Devise »Alles, was Männern Spaß macht«, die in meinen Ohren ebenso ungeschickt klingt wie die Zusammenstellung von Männern mit Mädchen. Richtiger schiene die Formulierung »Männer machen Späße«; denn nach wie vor definieren sich Männer über das, was sie machen, nicht darüber, daß sie sich einem Vergnügen einfach so hingeben und es dabei dann bewenden lassen.

Die Versöhnung von herkömmlichen Männlichkeitsvorstellungen mit den Geboten des Freizeitlebens und des Konsums deutet sich in einem Begriff wie »Fanatic Fun Culture« an, den ich im Surf-Magazin gefunden habe. Wer sich wenigstens fanatisch um Spaß in einer der zahlreichen neuen Sportarten bemüht, braucht sich nicht davor zur fürchten, in Passivität zu versinken und Schaden an seiner Männlichkeit zu nehmen. Wer allerdings als desinteressierter NichtsportIer mehrere Magazine für die verschiedenen neuen Sportarten durchgeht, wird jedoch skeptisch, was den Erfolg dieses Bemühens betrifft. Der monotone, geradezu zwanghafte Eindruck, den die Aktivitäten erwecken, rührt wohl kaum von der überall wiederkehrenden Reklame für diätetische Nährmittel, vornehmlich für Spezialgetränke, die den Aktivisten noch weiter aufbauen sollen. Es ist, als ob man dem Drehen einer Endlosschraube zusieht: Gearbeitet wird nicht bloß an der Erhöhung des Risikos, denn da gibt es Grenzen, sondern vor allem an seiner Diversifikation mit immer neuen Kombinationen von Männern mit Apparaten und Regeln.

Zum Beispiel das Wellenreiten. Wer dabei noch an die Beach-Boys denkt, die hedonistische Mixtur von Wasser, Ferien, Jugend und Flirt, täuscht sich sehr. Surfen wird gelehrt und gelernt; es gibt eine Bretterkunde und jede Menge weiteres Fachwissen über Schutzkleidung und die über die Erde verstreuten Surfregionen mit ihren Vor- und Nachteilen. In der Brandung von Hawaii bewährt sich der Profisurfer wie der Bergsteiger am Mount Everest. Der Welt bester Surfer ist ein gewisser Robby Naish, von dem das SurfMagazin nach Art des »Playmate of the Month« eine ausklappbare Bildtafel liefert. Am bezeichnendsten für die endlose Diversifikation von Risiko und Apparat ist die Surffotografie, teils vom Hubschrauber, teils vom Surfbrett aus, auf dem der Fotograf seinen Surfstar bei seinen für beide gefährlichen Manövern begleitet: »Ein simpler Sprung juckt keinen mehr. Wer seine Fotos gedruckt sehen will, muß Akrobatik zeigen.« Warum ist das Surfen so fotogen? Überdeutlich zeigen die besten Bilder das phallische Bravado des jungen Mannes unter dem Gebot: »Und fürchte dich nicht!« Beim Hockey oder Tontaubenschießen, von anderen Hobbies wie Modellbau oder Briefmarkensammeln schon gar abgesehen, kommen solche Bilder nicht zustande. Von der Meinung, daß das Surfen wie etwa auch das Bodybuilding exquisit männliche Leidenschaften sind, bringen mich auch die paar Frauen nicht ab, die dort mitmachen. Nur in einer Männerwelt dürfen Frauen alles tun – was auch Männer machen. Das ist der Universalismus, wie wir ihn kennen: Er hat die Tendenz, uns zu ignorieren. Das bleibt bedenklich, auch wenn wir nicht viel zu sagen oder gar zu verlieren hätten. Unser Mißtrauen sollte sich an die Faustregel halten: Gerade dort, wo Männer nicht als Männer, sondern als über- und allgemeingeschlechtliche Wesen in Erscheinung treten, ist ihre Macht vollkommen.

Das Umgekehrte gilt aber auch. Nachsicht ist angesagt, wo täuschend kraß die weibliche Unterwerfung unter den männlichen Blick inszeniert wird. Das rechnet sich nicht gegen die Energien, die man nach dem Betrachten einiger Automagazine ahnt und deren Destruktivität sehr viel eindeutiger und eindrucksvoller nachzuweisen ist als altmodische, sozusagen handgemachte Gewalt von Männern. Unsere ganze Sympathie vollends gehört den Softporno-Lifestyle-Magazinen, die sich ja nur deshalb so deutlich und ausschließlich an Männer wenden, weil sie sie umerziehen wollen, zu Nichtstun in schöner Umgebung, zum Genuß differenzierter Konsumgüter, zur Selbstzufriedenheit, zu einem gewissen Maß an Passivität und Friedfertigkeit, die nolens volens damit einhergeht. Wenn Männer vor Seide, Feuchtigkeitslotion und Parfüm nicht mehr zurückschrecken; wenn sie den Einkaufsbummel als Spaziergang im Schlaraffenland und nicht als zielgerichtete Aktion begreifen; wenn sie schließlich allesamt statt eines Spinds mindestens zwei Kleiderschränke brauchen, dann, ja, dann brechen entweder spätrömische Zustände aus oder alle uns drohenden Katastrophen können vorerst abgesagt werden – samt jenen aufwendigen Gegenmaßnahmen, die vor die versprochene Rettung ja immer erst einmal neuen Lärm, neue Unruhe und noch mehr zukunftsweisende Technologien setzen. P. M., »Peter Moosleitners interessantes Magazin« (nach meiner Einschätzung handelt es sich um die Nachfolge des Guten Kameraden, den vorzeiten Jungs zu Weihnachten als Jahresband geschenkt bekamen), P. M. also vertritt den Glauben an die Gesetzmäßigkeit der Welt und die Möglichkeit, sie mit den Methoden der Naturwissenschaft zu erforschen und technisch zu manipulieren. Anders gesagt: Diese Welt ist asozial, und die Psychologie, die allenfalls das Soziale vertreten könnte, wird auf Seelenhygiene eingeschränkt: »Reinigt schweigendes Verweilen in warmem Salzwasser das Gehirn?« Unter Anleitung eines bärtigen pränatalen Forschers (!) reden fünf hochschwangere Frauen mit einer Flüstertüte auf ihren Bauch ein, um ihr Kind positiv zu beeinflussen. Der Mann ist ein Monument an unfreiwilliger Komik – einer mehr, den die Geheimnisse des Lebens beziehungsweise des Kinderkriegens nie ruhen lassen, sooft man sie ihm auch erklären wird. So eingestimmt, können wir auch subtilere Forschungen in ihrem stillen Wahnsinn würdigen. Ein Sonderheft »Biotechnik« zeigt mit der Erklärung »Dieser Apparat hält Hamsterzellen am Leben« eine komplizierte Laborinstallation, ein sinnloses Wimmelbild, das gleichwohl von zwei Jungs im Hintergrund voll kontrolliert wird. Eher wird die Welt von einem Guglhupf erlöst als mit solchen Geräten.

Meine Sondierungen des männlich-kollektiven Unbewußten lassen von der Gegenseite wenig Gutes erwarten. Natürlich kann eine Untersuchung an Zeitschriften, die in Berlin-Mitte und Berlin-Lichtenrade von Männern gekauft werden, strengeren Ansprüchen an eine repräsentative Auswahl und eine ausgeglichene vorurteilslose Interpretation nicht genügen. Das wäre auch zuviel verlangt. Schließlich mußte mein (selbst-)kritisches Bewußtsein über Analysen »Zum Frauenbild der Illustrierten« oder zu »Praktiken der Massenkonsumwerbung« in Zeiten erwachen, wo Emanzipation und Konsumkritik zwei Worte für dieselbe Sache schienen – jedenfalls in lebenspraktischer Hinsicht. Und heute, nach dem Blick in die illustrierte Männerseele mit ihrem teils albernen, teils beunruhigenden Interieur, muß ich erkennen, daß unsere Verfehlungen – Stichwort: Weiblichkeitswahn und vergeblicher Kampf dagegen – absolut harmlos waren. Wem, außer uns selbst, haben wir je geschadet?

Allenfalls könnte man uns den Gebrauch von Haarspray auf FCKW-Basis und phosphathaltiger Waschmittel vorwerfen. Kurzum, wer heute das allgemeine Beste im Auge hat, wäre gut beraten, in kritische Männerforschung zu investieren, statt schuldbewußt dem weiblichen Nachholbedürfnis an Frauenwissenschaft entgegenzukommen. Es ist doch schon jetzt abzusehen, daß deren Harmlosigkeit unserer allzu bescheidenen Rolle in Geschichte und Gegenwart nur entsprechen kann. Und die ewige Frage, ob wir (wie Optimisten glauben) von Natur aus ein geringeres Risiko für unsere Umgebung darstellen oder von der Gegenseite mit künstlichen Mitteln zur Nettigkeit gezwungen wurden, kann bei der Eile, die inzwischen geboten ist, nicht mehr ausdiskutiert werden. Eine Methode kritischer Männerforschung wird die Verfremdung sein. Was auf den ersten Blick von allgemeiner Bedeutung zu sein scheint, wäre bis zur genauen Überprüfung Ausdruck männlich-kultureller Hegemonie. Viel wichtiger, als unsere Anwesenheit und Mitgemeintheit durch ein Suffix zur Geltung zu bringen, wäre umgekehrt die chronische Relativierung durch den Hinweis »Achtung, Männer!«

Anders gesagt: Im Unterschied zum Spiegel, einem schon klassischen Männermagazin der Mittelschichten, gibt sich jede Frauenzeitschrift als solche zu erkennen und täuscht niemanden über die Partikularität ihrer Botschaft hinweg. So kommt es, daß eine Frau ohne weiteres den Spiegel, ein Mann aber keineswegs die Brigitte kaufen darf – es sei denn, er hat eine Freundin, der er sie mitbringen kann. Uns fehlt eben das universalistische Mäntelchen, das Männer sich umhängen, um sich keine gefährliche Blöße zu geben.

 

 

Das ist aber nicht immer leicht. Natürlich machen auch wir von Autos, Hi-FiAnlagen und Surfbrettern Gebrauch, auch für uns kann sich die Notwendigkeit ergeben, den Aktienmarkt zu beobachten; der mögliche Ausgang der nächsten Wahl läßt uns nicht kalt. Aber wir betreiben doch diese Studien nur unter dem Zwang der Notwendigkeit bis zu dem praktischen Punkt, der uns betrifft, um dann so schnell wie möglich zu dem zurückzukehren, was uns wirklich interessiert und immer beschäftigt. Aber was das ist, gehört nicht hierher. Männer dagegen, und das macht sie so gefährlich, neigen fortwährend und überall zu einem Typus von Exzeß, der – im Unterschied zu unseren eher emotionalen Rasereien – wegen der Kombination mit Maschinen und Menschen einen fatal großen Wirkungsradius hat. Harmlos ist natürlich der Fanatismus, mit dem der Spiegel bei Wahlprognosen die drolligsten Hinweise konstruiert: Wie denken die Anhänger einer Partei über das gegebene Meinungsklima für ihre Partei bei den anderen Wählern?

Harmlos, zumindest als Lesevergnügen, ist auch das Testen. In verschiedenen Formen macht es den eigentlichen Hauptinhalt aller Männermagazine aus. Man testet alles mit einer Versessenheit, die jedem Gedanken an einen praktischen Nutzen Hohn spricht. Es kommt den Männern wohl darauf an, in die Rolle des allzeit überlegenen Experten zu schlüpfen und sich in der Illusion der Kontrollierbarkeit aller Dinge zu wiegen. Wie viele Leute können Nutzen aus der Test-Tour von Auto-Bild ziehen, das acht Vertragswerkstätten der Firma Ford in acht Städten mit einem präparierten Auto geprüft hat? AutoMotorSport widmet zwar das umfangreichste Kapitel dem Thema »Test und Technik«, was aber keineswegs heißt, daß in den anderen Kapiteln nicht auch fleißig getestet wird: Zum Beispiel die Gebrauchtwagenpreise im Mai 1990, die Gebrauchtwagenbewertung; die Pannenstatistik des ADAC wird nach dem Alter und der Nationalität der hilfesuchenden Autos ausgewertet. Natürlich werden auch einzelne Autos, Messeneuheiten getestet und im »Dauertest« das Auto als potentieller Lebenskamerad. Ein VW ist danach »im Grunde seines Herzens gut«.

Ganz ohne die Anthropomorphose der Maschinen geht es also doch nicht, und wo diese eintritt, ist die Versuchung zu reduktionistischen Deutungen groß, die immer wieder auf dasselbe hinauslaufen und es einem wirklich schwer machen, den Freudschen Pansexualismus nicht für das einzig Wahre dieser Lehre zu halten. »Wo stehen die Japaner? Fünf Paarungen im Vergleich. Zur Lage der Nationen«, so lautet die Überschrift zu einem Artikel. Fünf japanische treten gegen fünf deutsche Wagen der entsprechenden Größe an, nicht zum Crash-Test, sondern zum sachlich-fairen Vergleich, zum objektiven Abwägen aller Vor- und Nachteile: kein Krieg. Zwar liegen am Schluß die Deutschen mit 4: 1 klar vorn, aber diesen Ausgang müßten auch die Japaner, wenn schon nicht neidlos, dann doch ohne Ressentiments und Rachegelüste anerkennen. Schließlich wurde nach Regeln gekämpft, wie es bei Jungs nun einmal der Brauch war und immer noch ist. Wer ist stärker? Wer pinkelt weiter?

Eine gute Nachricht, die ich nach meiner kleinen Untersuchung publik machen kann, lautet: Es gibt keinen Nationalismus mehr, weder da, wo es um Autos, noch da, wo es um Fußball, noch da, wo es um Waffen geht. Die schlechte: Was nach dem Auflassen der ideologischen Überbauten erst richtig sichtbar wird, sind die anthropologischen Kernstücke jener Bildungen. Es ist, als ob Männer nie älter als elf Jahre werden. Das ganze Für und Wider um den Bau eines neuen Superfighters schnurrt für den »P. M. -Luftfahrtexperten« auf die peinliche Vision zusammen, wie wir dastehen werden, wenn es wirklich einmal – nicht zum Krieg, sondern zu internationalen Kunstflugwettbewerben mit Jagdflugzeugen kommen sollte. »Dann könnte es passieren, daß die Luftwaffe – vielleicht in der Kategorie Oldtimer – mit der alten Phantom, die noch aus den fünfziger Jahren stammt, antreten muß. Nämlich dann, wenn der eigentliche Favorit Jäger 90 ein Phantom bleibt.«

So naiv, mich heute noch, wo Kriege uns schlicht zu teuer geworden sind, über den Ersatz von Luftkriegen durch Kunstflugwettbewerbe (mit denselben Maschinen) zu freuen, dazu bin ich nach meinem Ausflug in die Welt der Männermagazine nicht mehr bereit. Und wenn, trotz aller in Aussicht gestellten Peinlichkeit für die deutschen Männer, der Jäger 90 nicht gebaut wird, ist mir auch das keine Beruhigung; denn statt dessen könnte die Luftfahrtindustrie sich in den »neuen Technologien des Umweltschutzes, der Energietechnik oder der Telekommunikation profilieren«. Das klingt in meinen Ohren wie eine neue, die aktuelle Drohung.

Was Männern fehlt, will ich an einem letzten Test erläutern. Im Kicker stellen vier Experten 22 Fußballspieler der deutschen Mannschaft auf den »Prüfstand«. Sie erhalten Noten in den Fächern Technik, Schnelligkeit, Schuß, Torgefährlichkeit, Kopfball, Zweikampfstärke, Übersicht und Routinen, Noten, die dann noch zu einer griffigen Durchschnittszensur zusammengefaßt werden. Bloß drei der acht Aufgabenbereiche der Nationalspieler können mit sehr viel gutem Willen mit der Vermutung in Einklang gebracht werden, daß es sich beim Fußball um einen Mannschaftssport handelt, bei dem die Vergesellschaftung nicht auf die Feindberührung (Zweikampfstärke) beschränkt ist. »Übersicht« lasse ich auch noch als eine Voraussetzung sozialen Handelns gelten; »Routine« bloß deshalb, weil ich nur vage Vorstellungen habe, was damit gemeint sein könnte. Warum denkt niemand über das Genie zur Kooperation oder ein Talent zur Stimmungsmache in brenzligen und/oder deprimierenden Situationen nach? Das Soziale tritt, nicht bloß in diesem Kicker zur Weltmeisterschaft, als Kitsch in Erscheinung. Uwe Beins Lieblingsspeise sind Tortellini. Riedle krault einen Riesenbobtail, das Hobby vieler sind ein oder zwei kleine Kinder … Daß diese Männer von ihrem Chef und den vielen Hobbychefs im Land wie Ersatzteile behandelt, in die Maschine der Nationalmannschaft ein- und ausgebaut werden, wie es sich der kleine Spielbastler gerade so denkt, wundert mich überhaupt nicht. Männer sind asozial. Die wechselseitige Verpflichtung auf ein Regelsystem für ihre Kämpfe ist das äußerste, was sie sozial auf der Palette haben, immer elf Jahre alt – wenn alles gut geht.

Im Angebot meiner Zeitschriftenhändler in Berlin-Mitte und in Lichtenrade war auch das traditionsreiche Schwulenmagazin Du & Ich – 22. Jahrgang. Von Seltsamkeiten abgesehen, die sich auf der anderen Seite im Playboy und artverwandten Magazinen genauso finden, mutet frau diese welt gar nicht so fremd, sondern vertraut und anziehend an. Wer ich bin, hängt von den andern ab, um die man sich entsprechend bemüht. Im Widerkäuen wird man klug. Der Inbegriff des Sozialen sind deshalb Klatsch und Tratsch, nicht regelrechter Sieg.