Heft 874, März 2022

Der Globus Bericht aus der Kunstförderung

von Barbara Basting

Der Künstler war am Ende seines Lebens zu alt und zu schwach gewesen, um sein Atelier aufzulösen. Die Erben, nach seinem Tod mühsam ermittelt, waren am Nachlass nicht interessiert. Dieser bestand vor allem aus dem Inhalt des Ateliers. Da der Künstler zwar lokalen Respekt genoss, doch keine größere Berühmtheit erlangt hatte, war der Anreiz gering, ein unübersichtliches Gebirge aus Bildhauerwerkzeugen, Steinblöcken, Kunstwerken in verschiedenen Produktions- und Erhaltungszuständen, sehr vielen verstaubten Büchern, Kisten voller Dokumente und Krimskrams aller Art abzutragen. Nach einer Inspektion des Ateliers beschloss daher die zuständige Kulturbehörde als Vermieterin des Ateliers, die Räumung zu übernehmen. Die Aufgabe war mir zugefallen, da ich für die Kunstförderung verantwortlich war. Normalerweise sollte ich die künstlerische Kreativität und Produktion befeuern. Nun erfuhr ich, dass auch die Auseinandersetzung mit ihren Folgen dazugehören konnte.

Weniger die Kunst als einige der Hinterlassenschaften des Künstlers hatten meine besondere Neugierde geweckt. Etwa eine Population von Globen. Sie ließen sein ohnehin malerisches Atelier noch mehr den Alchimisten- und Gelehrtenstuben auf Gemälden von Vermeer und Spitzweg ähneln. Allerdings hatte der Künstler nicht zur branchenüblichen Selbstinszenierung geneigt. In sein Atelier ließ er nur wenige Auserwählte ein. Was auf den ersten Blick wie für ein glamouröses Kunstmagazin inszeniert wirkte, hatte sich bei ihm wohl einfach so ergeben. Etliche der Globen hatten deutlich Patina angesetzt. Die riesigen Himmelsgloben wirkten frischer. Als Bausätze geliefert, steckten einige noch in Kartons. Vielleicht hatte der Künstler sich plötzlich nicht mehr für sie interessiert. Vielleicht hatte die Ware nicht seinen Vorstellungen entsprochen. Oder war ihm schlicht die Zeit für die Rekonstruktion des Universums davongelaufen?

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