Die Dummheit ist der Punkt –
Elemente einer resignativen Betrachtung der amerikanischen Gegenwart von Tim LanzendörferMit welchen Worten greift man am besten die Handlungen der Regierungen, insbesondere in den immer unbegreiflicheren USA? Schon während der letzten Amtszeit Donald Trumps konnte man Einschätzungen lesen, die das politische Agieren seiner Administration auf diese oder jene zumeist rationale Grundlage zurückführten, die also irgendeine sinnhafte Begründung als den springenden Punkt der Analyse sahen – Adam Serwer vom Atlantic etwa die »Grausamkeit«. Beobachter erklären, in der Außenpolitik sei das »Chaos« das Ziel; andere wiederum meinen, es gehe um die »Macht«, die »Angst«, die »Erniedrigung«, die »Untergrabung der Demokratie« oder sogar die »Zerstörung Amerikas«. So finden sich viele, aber selten kongruente Gründe, denen nur gemeinsam ist, dass sie zumindest die Überzeugung ausdrücken, dass das, was passiert, sich doch irgendwie rational erklären lassen können muss.
Daran kann man glauben, man muss es aber nicht. Der eigentlich springende Punkt ist vielleicht einfach die unsägliche Dummheit der Gegenwart, wie unlängst Christoph Paret vorgeschlagen hat. Und wenn dem so wäre, sollte man vor der Diagnose nicht deshalb zurückschrecken, weil Dummheit nicht wie ein besonders trennscharfes Analyseinstrument wirkt – oder weil das Wort es einem zu leicht macht, es scheinbar erlaubt, sich in seiner eigenen vermeintlichen Intelligenz zu sonnen, während man den anderen Dummheit vorwirft. Oder, mit Paret: »die neugierdelose Abfertigung als Dummheit von Anfang an ist natürlich selbst nur eine Form von Dummheit«.
Versuchen wir es also mit Neugierde auf die Dummheit, denken wir über sie nach, in der Hoffnung darauf, dass wir dabei über den sich als hilflos erweisenden Versuch hinauskommen, irgendwelche mehr oder weniger rationalen Gründe im Handeln der Dummen zu erkennen. Das Problem wäre dann nicht primär, wie Paret analysiert, dass die »Weltläufe« eine »Beleidigung für den Verstand sind«, sondern dass sie auf eine Art und Weise zustande kommen, die auf ganz verschiedenen Ebenen nicht mehr zugänglich ist. Es gibt dann nichts mehr zu verstehen und auf nicht mehr viel zu hoffen. Man macht sich vor sich selbst lächerlich, wenn man von einer diskursiven Öffentlichkeit im Sinne Habermas’ träumt, von der Revolution der unterdrückten proletarischen Massen, oder auch nur glaubt, à la Machiavelli dem Fürsten zumindest zu seinem eigenen Zweck Handlungsangebote zu machen, in der Hoffnung, hier könnte sich Herrschaft wenigstens indirekt zum Guten wenden lassen. Kein Ausweg hier, und keiner dort. Alle dumm, alle nicht zu erreichen.
Über dem berechtigen Einwand, dass man nicht einfach alle dumm nennen kann, die Dinge tun, mit denen man nicht übereinstimmt, sollte man gleichzeitig auch nicht vergessen, dass es Dinge gibt, die getan werden, weil diejenigen, die sie tun, einfach dumm sind. Und so einfach ist das Wort, als Begriff gedacht, vielleicht auch gar nicht. Also Begriffsarbeit an der Dummheit. Schon bei Immanuel Kant findet sich die knappe Zusammenfassung: »Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt.« Man darf sich in dieser Bestimmung aufgehoben fühlen, wenn man die letzten sechs Monate Trump-Regierung Revue passieren lässt.
Einschlägig dabei vielleicht die unendliche Geschichte der Zölle, insbesondere da, wo man eben doch herausarbeiten kann, was dumm ist und was nicht. Denn ob die politische Entscheidung für Zölle nun immer dumm ist, darf dahingestellt bleiben – vermutlich nicht. Aber: Den nicht vorhandenen Exporten nicht bewohnter Eilande wie den Heard und McDonaldinseln Zölle aufzuerlegen, ist schlicht dumm. Es ist unmöglich zweckrational.