Filmkolumne
Netnografische Recherchen von Elena MeilickeSeit Monaten sind die Kinos in Deutschland geschlossen, und die wenigen Male, die ich im vergangenen Jahr im Kino war, kann ich an einer Hand abzählen. Stattdessen sehe ich Filme dort, wo ich derzeit fast alles mache: im Internet, am Computer, auf dem Sofa. Dreifach bestimmt, scheint dieses Dort ein komplexer Ort zu sein, der weiterer Beschreibung bedarf. Hier genügt mir aber die Feststellung, dass das Sehen, das »dort« passiert, ein anderes ist als das, das gemeinsam mit anderen Zuschauerinnen im dunklen Kinoraum stattfand. Das Dispositiv zwingt einen sanft, aber bestimmt zum andauernden Sitzen und Sehen, zu Konzentration und Hingabe, man ist dem Alltag und seinen Anforderungen für einige Zeit entrissen: Das Kino ist, oder war, ein Ort einerseits fürs Denken, andererseits für Träume und Eskapismus.
Die Filme, die ich im Internet, am Computer, auf dem Sofa sehe, existieren hingegen mitten in meinem Alltag und müssen sich dagegen behaupten. Ihre nähere Umgebung ist das Chaos auf dem Wohnzimmerteppich, aber auch die Arbeits-Mail und der Facebook-Feed auf dem Computer. Ständig sind sie umstellt von Dateien, Ordnern und Programmen, die nur darauf warten, geöffnet und nach vorne geholt zu werden. Auch das Netz selbst bietet endlos Alternativen; genauso gut wie das, was ich gerade schaue, könnte ich etwas anderes, womöglich Interessanteres schauen. Diese Filme können jederzeit unter- und abgebrochen werden, wenn ich unruhig bin, mir langweilig wird oder im Nebenzimmer das Kind schreit. Die Filme, die ich im Internet, am Computer sehe, sind nicht bigger than life, sondern mittendrin, nie größer als der 13-Zoll-Bildschirm meines Laptops, dafür jederzeit und überall verfügbar. Desktopkino.