Heft 890, Juli 2023

Geister der Petromoderne

von Alexander Klose, Benjamin Steininger

Ein russischer Panzer hat sich festgefahren. Von seiner Besatzung verlassen, wird er von einem ukrainischen Landwirt mit dem Traktor geborgen. Zahlreiche Varianten dieser Szene kursieren im Frühjahr 2022 in sozialen Netzwerken. Zur Beute der Traktoren werden sehr verschiedene räder- oder kettengestützte Kampffahrzeuge. Von veralteten T-62-Panzern aus dem Jahr des Berliner Mauerbaus bis hin zum gepanzerten Raketenwerfer TOS – Waffensysteme, die in Afghanistan 1980 erstmals eingesetzt wurden, die Grosny 1999 und Aleppo 2014 in Schutt und Asche gelegt haben, liegen wie gelähmte Käfer im Dreck.

Was als dreitägige »Spezialoperation« geplant war, als gezielte Enthauptung der Staatspitze eines als nicht ebenbürtig erachteten Gegners, bleibt bald nach dem Einmarsch stecken. Das mit Milliarden Petrodollar gemästete Regime im Kreml hatte seine Kräfte überschätzt. Unterschätzt hatte es den Widerstandswillen der Bevölkerung der Ukraine, ihrer Regierung und ihrer Armee, die seit 2014, dem eigentlichen – im Westen nach kurzem Schock rasch wieder verdrängten – Kriegsbeginn, Zehntausende Soldaten im Donbas turnusmäßig an der Front trainieren konnte. Unterstützt durch massive Militärhilfen aus dem Westen, durch Waffensysteme wie die Panzerabwehrlenkwaffe Javelin und die Raketenwerfer HIMARS, IRIS-T und Patriot können sie den Vormarsch stoppen.

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