Heft 890, Juli 2023

Lob der Naivität

Über Generationen im Goethe-Institut von Berthold Franke

Über Generationen im Goethe-Institut

In der Geschichte deutscher Kulturinstitutionen ist das Goethe-Institut mehr als nur ein interessanter Nebenpfad. Durch seine Rolle als Parallel- und Komplementärakteur der zunächst west- dann gesamtdeutschen Kulturpolitik bietet es vielmehr eine Perspektive, die die Kulturgeschichte der Republik als Ganze erhellen kann. Ein Blick auf das Personal des seit über siebzig Jahren bestehenden Instituts kann dabei nicht nur Auskunft geben über zentrale Motive und historische Konstellationen der Auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik, er verrät zugleich etwas über das Selbstverständnis und die komplexe Selbstfindung einer »Kulturnation« mit besonderer Geschichte.1

Die Mitarbeiterschaft des Goethe-Instituts besteht, ähnlich wie diejenige in den Auslandsvertretungen, grundsätzlich aus den deutschen, von der Zentrale entsandten Führungskräften und den lokalen Beschäftigten, die an den jeweiligen Standorten rekrutiert werden. Was dort geschieht, beruht auf einer die lokalen Kenntnisse und die zentralen Konzepte verbindenden Kooperation, die in ihrer Vor-Ort-Kompetenz noch einmal durch die obligatorische Zusammenarbeit mit Partnern aus den jeweiligen Szenen und Öffentlichkeiten gestärkt werden soll.

Das deutsche Personal (Einstellungsvoraussetzung deutsche Staatsangehörigkeit, tarifrechtliche Eingruppierung als Angestellte im »Höheren Dienst«) des Anfang der fünfziger Jahre neu gegründeten Goethe-Instituts e.V. ist historisch geprägt von zwei Stämmen. Den in der Anfangszeit primär als Sprachlehrinstitute tätigen Häusern im Inland entstammten die ausbildungsmäßig oft dem Lehrermilieu zugehörenden Sprachdozenten, während der zweite Stamm, eine damals sehr männliche Truppe von Instituts-, Referats- und Abteilungsleitern sowie »Regionalbeauftragten«, eine eher bunte Herkunft aufwies: viel Geisteswissenschaft und Philologie, aber auch Juristen, Historiker und andere.

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