Heft 870, November 2021

Politikkolumne

Reflexionen über »Verdienst« nach Besuch eines Schachturniers von Christoph Möllers

Reflexionen über »Verdienst« nach Besuch eines Schachturniers1

1.

Eine meritokratische Gesellschaft, also eine, in der »Verdienst«, wie auch immer man dieses definiert, der einzige Grund für Status und Erfolg ist, sähe vermutlich nicht wie ein Golfclub aus. Sähe sie vielleicht aus wie ein Schachclub? Den Golfclub stellen wir uns als Verein mit homogener Mitgliedschaft besserer Stände vor. Diese Homogenität wird durch Mitgliedsbeiträge gesichert. Die Mitglieder beanspruchen einen sozialen Status, von dem sie nicht selten glauben dürfen, sie hätten ihn verdient. Jedenfalls tendieren Menschen mit wachsendem Erfolg dazu, diesen für berechtigt zu halten.2 Erfolg lässt sich zudem einfach darstellen, namentlich in Geld. Verdienst dagegen ist eine unklare und umstrittene Figur. Dazu passt es, dass der Status in einem Golfclub oft nicht von der gut messbaren sportlichen Leistung abhängen dürfte, sondern von anderen Umständen. Den Golfclub verdienen sich manche durchs Golfspiel. Für andere ist er eine Institution, in der externer Erfolg intern abgebildet wird.

2.

Wie stellen wir uns einen Schachclub vor? Seine Mitglieder drehen sich in heiliger Einseitigkeit um das Schachspiel. Niemand sucht ihn auf, um aus der Mitgliedschaft soziales Prestige zu schöpfen oder nach außen darzustellen, auch nicht, um Beziehungen zu knüpfen, die über das Spiel hinausgehen. Das zeigen schon die Örtlichkeiten, nicht am angelegten See mit Hügel, sondern in Plätzen umhegter Marginalisierung wie Alten- oder Jugendzentren.

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