Rechtsdurchsetzungsunterstützungsverwaltung
Das Gesetz zum Schutz von Whistleblowern von Hans Peter BullDas Gesetz zum Schutz von Whistleblowern
Wer als Angestellter eines Unternehmens oder einer Behörde bemerkt, dass in seinem Umfeld bewusst, regelmäßig und in schwerwiegender Weise gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird, steht vor einer Gewissensentscheidung: Soll man schweigen und hoffen, dass der Rechtsbruch auf andere Weise behoben wird? Gilt nicht eine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber oder Dienstherrn, und muss man nicht fürchten, dass »Whistleblowern« fristlos gekündigt wird? Oder ist man moralisch (und vielleicht sogar rechtlich?) verpflichtet, zumindest mit Kollegen und Vorgesetzten zu sprechen und darauf hinzuwirken, dass Rechtsverstöße abgestellt werden? Und wenn das nichts bewirkt: Soll man solche Informationen veröffentlichen, also an die Medien herantreten und eine Welle der Empörung gegen die eigene Organisation auslösen, um der rechtswidrigen Praxis ein Ende zu machen? Der europäische und der deutsche Gesetzgeber haben versucht, diese Gewissensentscheidung zu erleichtern, indem sie die Risiken des Whistleblowing vermindern. Die Rechtsnormen, die dabei herausgekommen sind, werfen grundsätzliche Fragen auf – Fragen, die in den Beratungen kaum angesprochen worden sind.
Doch der Reihe nach: In den vergangenen Jahrzehnten sind zahllose Fälle von Whistleblowing bekannt geworden, in denen charakterstarke Personen (beiderlei Geschlechts) die Öffentlichkeit über empörende Praktiken informiert und dabei große Risiken für ihre Karriere in Kauf genommen haben.1 Einige (wie Mark Felt, Mitarbeiter des amerikanischen FBI, der als »Deep Throat« die Washington Post auf den Watergate-Skandal aufmerksam gemacht hat) sind lange anonym geblieben. Schwere Rechtsverstöße amerikanischer Militärs sind der Öffentlichkeit über Julian Assanges Wikileaks vermittelt worden. Wieder andere Gewissenstäter, am prominentesten Edward Snowden, haben Geheimdokumente von Regierungen unter ihrem richtigen Namen publiziert. Auch in Deutschland sind Whistleblower an die Öffentlichkeit gegangen, um skandalöse Zustände bekannt zu machen. Die Tierärztin Margrit Herbst informierte 1994 die Öffentlichkeit über erste Fälle der Rinderseuche BSE, die von den Behörden vertuscht werden sollten. Die Altenpflegerin Brigitte Heinisch zeigte den Vivantes-Konzern wegen unzureichender Pflege und Betreuung alter und hilfsbedürftiger Menschen an. Steuerfahnder der hessischen Finanzverwaltung machten Steuerhinterziehung von Großbanken bekannt. Viele andere, die auf schwere Rechtsverstöße aufmerksam gemacht haben, blieben unbekannt, viele mussten gegen die Rache ihrer Arbeitgeber ankämpfen.