Rückruf aus den Neunzigern
von Niklas WeberEs ist mir egal, aber
Tocotronic
Weißmanns Weg in den Abgrund
Göttingen im April 1997. Karlheinz Weißmann, promovierter Studienrat und »Shooting Star der neurechten Klientel«,1 schreibt das Vorwort zur Neuausgabe seiner Geschichte des Nationalsozialismus. Der Weg in den Abgrund ist noch vor Erscheinen als Skandal bezeichnet worden, die Herausgeber der Propyläen-Reihe haben sich aufs Schärfste von dem Band distanziert, die Kritiken waren verheerend, der Verlag hat das Buch zurückgezogen und Weißmann eine Abfindung gezahlt. Was für ein Desaster. Was für eine Gemeinheit! Nicht mit »übermäßigem Wohlwollen«, jedoch »einer gewissen Anerkennung« habe er rechnen dürfen, vertraut Weißmann seinen Lesern an. Doch Thomas Nipperdey habe leider Recht behalten, als er zu Beginn des Historikerstreits vor einer »Herrschaft des Verdachts« warnte – die bei Hegel, das habe Nipperdey vergessen zu erwähnen, die Voraussetzung für die »Herrschaft des Terrors« sei. Bereits geringfügige Abweichungen von der verordneten NS-Deutung würden mit Diskursausschluss bestraft. Niemand aus dem ach so liberalen Establishment habe sich zu seiner Verteidigung bereitgefunden. Habe er, Weißmann, sich etwa »grobe Schnitzer« geleistet? Nein, natürlich nicht. Die Schuld für Weißmanns Scheitern tragen ganz allein die anderen.2