(True) Crime und (Public) History
von Tobias BeckerEin Buch, das es nicht geben sollte titelte die Süddeutsche Zeitung am 11. Februar 2022.1 Gemeint war The Betrayal of Anne Frank: A Cold Case Investigation der kanadischen Schriftstellerin Rosemary Sullivan. Sullivan, eine mehrfach ausgezeichnete Biografin, dokumentiert darin die Untersuchung eines internationalen Ermittlerteams, das behauptete, herausgefunden zu haben, wer die Familie Frank 1944 an die deutschen Besatzer verriet. Zunächst eher neutral aufgenommen, geriet das Buch zweifelhafter Recherchemethoden und mangelnden historischen Hintergrundwissens wegen zunehmend in die Kritik.
Jens-Christian Rabe störte sich allerdings an etwas anderem, an der Idee nämlich, »die Umstände der Festnahme Anne Franks ließen sich so umstandslos erzählen und vermarkten wie die Täterfahndung irgendeiner True-Crime-Story, samt – suspense, suspense – verpixeltem Cover?« Geschichte, erst recht die Geschichte des Holocaust, und True Crime gehen für ihn schlicht nicht zusammen.