Heft 899, April 2024

Waffenhilfe und Erinnerungskultur

Triebfedern deutscher Israel-Politik vor und nach dem 7. Oktober 2023 von Hubert Leber

Triebfedern deutscher Israel-Politik vor und nach dem 7. Oktober 2023

Zwei Tage nach Beginn des Krieges, den Israel angesichts einer existentiellen Bedrohung führt, erklärt sich der Kanzler vor dem Bundestag zur nahöstlichen Eskalation. Er wählt deutliche Worte, um die Haltung seines Landes darzulegen. Die Bundesregierung, so die Kernaussage, sei zu einer »Politik der Nichteinmischung« entschlossen und werde sich »strikt« daran halten, keiner der Konfliktparteien Waffen zu liefern. Von einer besonderen Verantwortung der Deutschen für die Sicherheit des jüdischen Staates spricht der Kanzler nicht. Das Wort »Israel« fällt kein einziges Mal.

So reagierte Kurt Georg Kiesinger in der Bonner Haushaltsdebatte vom 7. Juni 1967 auf den Ausbruch des Sechstagekriegs, den Israel unter dem Eindruck begonnen hatte, einem Angriff seiner arabischen Nachbarn zuvorkommen zu müssen. Als Olaf Scholz am 12. Oktober 2023 eine Regierungserklärung zum Massenmord der Hamas auf israelischem Boden abgab, sagte er, in dieser Stunde gebe es »für Deutschland nur einen Platz: den Platz an der Seite Israels«. Der Kanzler beließ es nicht dabei, die Formel von der Sicherheit des jüdischen Staates als deutscher Staatsräson zu bekräftigen. Er signalisierte auch, etwaige Bitten um Rüstungslieferungen zu erfüllen, die Israel im Zuge seiner Verteidigung an Deutschland richten sollte.

Den Worten folgten bald Taten. So verlautete aus dem Bundeswirtschaftsministerium, dass Deutschland seine Rüstungsexporte nach Israel massiv gesteigert habe. Bis Anfang November 2023 genehmigte Berlin demnach militärische Ausfuhren im Wert von rund 300 Millionen Euro für das Land – fast zehn Mal so viel wie im gesamten Vorjahr, und den Großteil davon nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober. Das Bundesverteidigungsministerium überließ Israel zwei – dort geleaste – Drohnen zum Einsatz gegen die Hamas.

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