Heft 868, September 2021

Wettbewerbsorientierung und Flexibilisierung in der Wissenschaft

Eine gegenwartsgeschichtliche Perspektive von Ariane Leendertz

Eine gegenwartsgeschichtliche Perspektive

In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren haben sich die Rahmenbedingungen von Forschung und Wissenschaft in Deutschland tiefgreifend verändert. An den Universitäten und in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen setzten sich in diesem Zeitraum neue Leitbilder und Steuerungsinstrumente wie Strategiepapiere und Zukunftskonzepte, quantitative Indikatoren, Leistungsvergleiche und Evaluationen, Pakte, Selbstverpflichtungen und Zielvereinbarungen, strategisches Management, Qualitätssicherung und Monitoring sowie das Wissenschaftsbranding und Wissenschaftsmarketing durch. Im Fall der Universitäten schufen Wissenschaftsfunktionäre und politische Akteure aus Bund und Ländern mit dem Drittmittelwettbewerb, der seine deutlichste Ausprägung in der Exzellenzinitiative fand, eine neue Handlungsarena, die Strukturen und Handlungsorientierungen auf allen Ebenen erheblich beeinflusste. Ähnlich wie privatwirtschaftliche Unternehmen begannen sich Universitäten und Wissenschaftsorganisationen als strategisch denkende Wettbewerbsakteure zu verstehen.1

Im Hochschulbereich bildete die finanzielle Steuerung über Dritt- und Sondermittel offenbar den stärksten Hebel, Wettbewerbsorientierung zu perpetuieren. Ein typisches Bild bietet der Haushalt der Universität zu Köln: 2019 betrug der Anteil der temporär und kompetitiv vergebenen Dritt- und Sondermittel dort 40 Prozent.2 Doch auch die Arbeit der Max-Planck-Gesellschaft, für die Drittmittel eine nachgeordnete Rolle spielen, ist seit den neunziger Jahren dezidiert wettbewerbsorientiert ausgerichtet.

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