Heft 883, Dezember 2022

Wissenschaftskommunikation

Zum Beispiel Maja Göpel von Julika Griem

Zum Beispiel Maja Göpel

»Ein Göpel oder Göpelwerk, bis ins 19. Jahrhundert auch Göpelkunst, ist eine Kraftmaschine, die durch Muskel-, Wasser-, Wind- oder Dampfkraft angetrieben wird. Das Göpelwerk besteht mindestens aus einer meist senkrechten Antriebswelle und aus einem einfachen Getriebe mit einer Abtriebswelle. Das Gebäude, in dem der Göpel untergebracht ist, heißt »Göpelhaus« bzw. »-kaue« oder »Treibekaue«. Göpel kamen in Mitteleuropa seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert vor allem im historischen Bergbau als Förderanlagen zum Einsatz. Später wurden sie auch in der Landwirtschaft zum Antrieb von Maschinen eingesetzt. Kleinere oder größere Modellnachbildungen in Form von Göpelpyramiden sind heute beliebte erzgebirgische Weihnachtsdekorationen.«

(Wikipedia)

Kraftmaschine der Wissenschaftskommunikation?

Mit der Frage »Wie verbreitet ist das Göpeln?« skandalisierte Stefan Willeke die Arbeit der zweifachen Bestseller-Autorin Maja Göpel aus Anlass ihres erst im aktuellen Buch Wir können auch anders identifizierten Ghostwriters. Mittlerweile wurde Göpel auch verteidigt. Aus etwas größerer Distanz zu diesen journalistischen Scharmützeln lohnt sich ein distanzierterer Blick auf die Sache: Aus dem Beispiel Göpel zu lernen heißt nicht, »göpeln« zu lernen. Es geht vielmehr darum, die Rollenverschiebungen und Rollenkonflikte herauszuarbeiten, die angesichts des gegenwärtig geforderten Kulturwandels zu mehr und veränderter Wissenschaftskommunikation entstehen müssen. In einem Interview mit dem Spiegel hat Maja Göpel ein Grundproblem selbst formuliert: »Ich habe mich im Herbst 2020 dazu entschlossen, den herkömmlichen Forschungsbetrieb zu verlassen und Wissenschaftskommunikation ins Zentrum meiner Arbeit zu stellen. Darf ich mich deshalb nicht mehr Wissenschaftlerin nennen?«

In einigen Reaktionen auf Willekes Stück wurde Göpel als Exemplum scheinbar klarer Alternativen genutzt, um polarisieren zu können. Paul Jandl und Wolf Lotter verteidigten sie in einer Querfront zwischen NZZ und taz gegen das unverständlich vor sich hin werkelnde Beamtentum im Elfenbeinturm: »In der Zeit, in der jemand wie Maja Göpel Bücher zur ökologischen Weltbedrohungslage schreibt, hätte das deutsche Professorenwesen vielleicht gerade einmal seine Zettelkästen zusammengesucht. Für das Tempo, in dem Göpels Erfolgsbuch entstanden ist, braucht es dann tatsächlich einen Ghostwriter.«

»Es geht um Futterneid, um Missgunst, finstere Motive also […] Dazu kommt intellektuelle Faulheit: Die deutschen Berufsakademiker bleiben gerne unter sich, stellen sich ungern ›fachfremder‹ Kritik, mit anderen Worten: Sie möchten ungestört ihre Professur verzehren. Vor allem: Der deutsche Akademiker findet Public Intellectuals scheiße. Sie ziehen Aufmerksamkeit ab, Geld, sie tun überdies, was eigentlich ja auch Forschende an Unis tun sollten, ihre Arbeit so gut und verständlich wie möglich rüberbringen, und ja, dazu kann man jederzeit auch Unterstützung anheuern.«

Für beide Kommentatoren entstehen mit Göpels Vorgehen keine Widersprüche, sondern sie verstärken die Selbstbeschreibung der Autorin als grenzüberschreitender »Misfit«: Nur wer die Regeln des elitären und weltabgewandten Wissenschaftsbetriebs mutig verletze, könne im Einklang mit der Gesellschaft wissenschaftliche Erkenntnisse zum Nutzen aller vermitteln. Einige nachdenklichere Einlassungen machten aber deutlich, dass Maja Göpel auch eine Gemengelage partiell konfligierender Aufgaben verkörpert. So erklärt etwa Beate Meierfrankenfeld: »Der Ullstein-Verlag stellt seine Autorin Göpel als ›Politökonomin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft‹ vor, sie selbst bezeichnet sich auf ihrer Webseite als ›Expertin für Transformationsforschung, Autorin, Rednerin, Beraterin, Hochschullehrerin‹. Eine Aufzählung sehr unterschiedlicher Rollen, die bereits deutlich macht, wie viel die Öffentlichkeit von Expertinnen und Experten verlangt.«

Göpelkunst

In der FAS verteidigte auch Julia Encke die Verfasserin von Unsere Welt neu denken und Wir können auch anders. Der Text liefert Ansatzpunkte für eine ganzheitlichere Sicht auf Göpels Kommunikationsstil: »Göpel spricht in ziemlich langen, verschachtelten Sätzen, zu denen sie mit den Armen und Händen gestikuliert. Während man ihr zuhört, fällt auf, wie sehr dieses Sprechen von der Art und Weise abweicht, in der ihre Bücher, auch das neue, geschrieben sind. In Interviews hat sie betont, dass, als der Verlag mit dem Wunsch an sie herantrat, Bücher zu schreiben, die viele erreichen und von vielen verstanden werden sollten, die Rede davon gewesen sei, ihr mündliches Sprechen ins Schriftliche zu transportieren. Aber tatsächlich trifft das nicht zu […] Die Wirkung ihrer Rede, diese Mischung von körperlicher Präsenz und sprachlicher Komplexität, ist eine ganz andere.«

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