Eric Hobsbawm: Ein Kommunist erklärt die Geschichte
von Corey RobinEric Hobsbawm war Historiker und Kommunist. Als Historiker hatte er große Erfolge. Als er 2012 im Alter von 95 Jahren starb, wurden fast alle seiner Bücher noch aufgelegt, seine Texte waren in mehr als fünfzig Sprachen übersetzt worden, er selbst genoss weltweites Ansehen. Der Historiker Hobsbawm hinterließ ein beeindruckend umfangreiches Werk, darunter vier breit rezipierte Bände, die die Zeit zwischen 1789 und 1991 umspannen, sowie ein Vokabular, das das Studium der modernen Geschichte revolutionierte: die »Erfindung der Tradition«, »primitive Rebellen«, die »allgemeine Krise« des 17. Jahrhunderts, die »Doppelrevolution«, das »lange 19.« und das »kurze 20. Jahrhundert«.
Die zweite Unternehmung ging weniger gut aus. Hobsbawm trat 1936 in die Kommunistische Partei ein und blieb etwa fünfzig Jahre lang Mitglied. Die politische Sache, der er sein Leben gewidmet hatte, nahm ein unrühmliches Ende, während der Ideenmüll, den sie von der Weltbühne fegen wollte – ethnischer und nationaler Chauvinismus –, bald schon zurückkehrte und aufs Neue Legitimitätsansprüche anmeldete. Schon 1990 sah Hobsbawm voraus, dass der Untergang der Sowjetunion Dynamiken beschleunigen würde, die »fast siebzig Jahre lang eingefroren gewesen waren«. Die Folgen des Zerfalls betrachtete er nicht in erster Linie als Enttäuschung der eigenen Hoffnungen, sondern vor allem als Nachspiel zum »mörderischsten Zeitalter« der Geschichte, in dem Europa die Wiederkehr der Folter, das gezielte Abschlachten von Millionen, den Kollaps staatlicher Strukturen und die Erosion von Normen gesellschaftlicher Solidarität erlebt hatte.
»Aus Verlierern«, sagte Hobsbawm einmal, »werden die besten Historiker.« Und so wurde der Kampf politisch engagierter Männer und Frauen, die sich darum bemühen, in ihrer Welt nach oben zu gelangen, gegen die ökonomischen Kräfte, von denen sie bezwungen werden, zu seinem Lebensthema. Hobsbawms Markenzeichen war, wie es sich für große Historiker gehört, die Ironie, seinen Stoff entnahm er den Wendungen des Schicksals. Der einfache Grund: »Nichts […] kann den Geist eines Historikers so schärfen wie die Niederlage.« Er hatte das Glück, denkbar viele einstecken zu müssen.