Europa-Kolumne
Lässt sich das europäische Demokratiedefizit beheben? von Martin HöpnerLässt sich das europäische Demokratiedefizit beheben?
Die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) ermuntern zu der Frage, wie es um die demokratische Qualität der Europäischen Union bestellt ist. Um dieses Thema rankt sich eine politikwissenschaftliche Fachdebatte, die mittlerweile schwer zu überschauen ist. Wenn ich im Titel dieser Kolumne frage, ob sich das europäisches Demokratiedefizit beheben lässt, setze ich die Existenz eines solchen Defizits freilich bereits voraus. Ist diese Unterstellung fair?
Die EU und die Standards parlamentarischer Demokratie
Vergegenwärtigen wir uns, ob das politische System der EU den Anforderungen an eine parlamentarische (nur eine solche kommt hier infrage) Demokratie genügt. Der erste Blick gilt den Wahlen. Dem deutschen Grundgesetz zufolge müssen sie allgemein und unmittelbar, frei, gleich und geheim sein (so steht es in Artikel 38 GG). Die Wahlen zum Europäischen Parlament erfüllen die meisten dieser Kriterien, aber sie sind nicht gleich. Die Stimme einer maltesischen Wählerin zählt ungefähr zehnmal so viel wie die einer deutschen Wählerin. Der Fachterminus hierfür ist die degressive Proportionalität.
Ist das Parlament einmal gewählt, fehlt ihm das Recht, Gesetzesinitiativen auf den Weg zu bringen. Daher können die europäischen Parteien auch nur wenig belastbare Wahlversprechen machen, dürfen sie doch nach der Wahl keine zu den Versprechen passenden Gesetzentwürfe einbringen. Zudem fehlt dem EP, was man normalerweise als Königsrecht der Parlamente ansieht: das Budgetrecht. Der Umfang der Mehrjährigen Finanzrahmen wird im Rat verhandelt, nicht im Europäischen Parlament.
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