Fahrrad ohne Disruption
von Jan WetzelAls der niederländische Fahrradhersteller VanMoof im Juli 2023 Insolvenz anmeldete, war das keine Überraschung. Schon die letzten Jahre hatte das Unternehmen nur durch immer neue Kapitalspritzen überlebt, war damit vorübergehend gar zur »most funded e-bike company in the world« geworden. Doch das half nichts. Im Laufe des Jahres wurde VanMoof zahlungsunfähig, schloss Filialen, stellte zunächst Reparaturen und schließlich die Produktion ein. Die verärgerten Kunden ließ man darüber lange im Dunkeln.
Insolvenzen lassen sich kaum auf einen einzelnen Faktor zurückführen, sondern erklären sich aus einem Bündel von Veränderungen im Markt und dessen Umfeld, Fehleinschätzungen des Managements und Zufällen. Dennoch kann man der Pleite von VanMoof schon jetzt einen Sinn abgewinnen, stellte das Unternehmen doch einen der ambitioniertesten Versuche der disruptiven Innovation des Gebrauchsgegenstands Fahrrad dar.
Statussymbol, Demokratisierer individueller Mobilität, Relikt
Das Fahrrad sticht unter den in modernen Industriegesellschaften alltäglichen Gebrauchsgegenständen durch die hohe Beständigkeit seines Designs hervor. Es hat sich in den letzten einhundertvierzig Jahren optisch kaum verändert. Der Grund dafür liegt nicht in ihm selbst, sondern ist das Ergebnis eines historischen Zusammenspiels von Produktion und Konsum. Wie später das Automobil oder der Computer startete es als Spaßprodukt und Statussymbol wohlhabender junger Männer. Dass sich das nach verschiedenen Entwürfen Mitte des 19. Jahrhunderts durchsetzende »Hochrad« anspruchsvoll und gefährlich war, gehörte also dazu. Doch mit den dadurch begrenzten Wachstumsmöglichkeiten wollten sich manche Hersteller bald nicht mehr abfinden. Als »Sicherheitsniederrad« erhielt das Fahrrad in den 1880er Jahren ein auf Sicherheit und Komfort wert legendes Re-Design.