Heft 888, Mai 2023

Generativität Über ein Desiderat in der Philosophie

von Tatjana Noemi Tömmel

»It is hard to speak precisely about mothering. Overwhelmed with greeting card sentiment, we have no realistic language in which to capture the ordinary /extraordinary pleasures and pains of maternal work.«1

Meine Arbeit an diesem Aufsatz wurde jäh unterbrochen, als die Pandemie mein Heimbüro um einen Privatkindergarten erweiterte. Die Lage von Eltern weltweit zeigte mir aber umso deutlicher, dass die von der Philosophie bisher kaum beachtete Frage, was Eltern eigentlich tun, aktuell ist. Denn einerseits galten Eltern plötzlich als die stillen Helden der Krise, andererseits wurde mit überraschender Selbstverständlichkeit angenommen, dass berufstätige Eltern im Homeoffice ihre Kinder nebenbei noch betreuen und beschulen können. Wer nach Rat suchte, wurde schnell auf technische Mittel verwiesen. Ja, ein Universitätspräsident dachte sogar, Mütter in der Wissenschaft durch das »Tablet in jeder Schultüte« zu entlasten.2 Offenbar werden Eltern immer noch als Verwalter ihrer Kinder angesehen. Eltern bewahren ihre Kinder aber nicht auf wie eine Garderobe Kleider. Was ist es, was Eltern eigentlich tun?

Gibt es eine Philosophie der Elternschaft?

Vor einigen Jahren beschrieb die Lyrikerin Dagmara Kraus die Banalität der Mutterschaft: Müttern fehlt es demnach nicht nur an Muße zum Dichten, sondern ihr Leben sei angesichts von Windeln und Rotznasen aller Poesie beraubt. Kein Wunder, dass Mütter schon mal den Tod ihrer Kinder fantasierten.3

Möchten Sie weiterlesen?

Mit dem Digital-Abo erhalten Sie freien Zugang zum gesamten MERKUR, mit allen Texten von 1947 bis heute. Testen Sie 3 Monate Digital-Abo zum Sonderpreis von nur 9,90 Euro.

Jetzt Probelesen

Weitere Artikel des Autors