Philister, Autodidakten, Parrhesiasten
Bildungsfiguren im Diskurs der Neuen Rechten von Markus SteinmayrBildungsfiguren im Diskurs der Neuen Rechten
Die Inszenierung des Bildungsbürgerlichen gehört zum guten Ton der Neuen Rechten. Ihre intellektuellen Galionsfiguren treten gern als aufrechte Kämpfer gegen das kulturelle Vergessen auf. Götz Kubitschek etwa lässt sich dafür feiern, »Homer im Original« gelesen zu haben.1 Der »Kosmos rechten Denkens«, von dem er in seinem Buch Provokation spricht, ist vor allem ein Kosmos aus Texten und Lektüren, die den Autor nach eigener Auskunft bei der »Suche nach dem rechten Maß« angeleitet haben (»Romane sogar noch besser als theoretische Schriften«). Ein von ihm mitherausgegebener Sammelband, der die »je prägenden Lektüren« wichtiger Figuren der Neuen Rechten präsentiert,2 wird als Beleg dafür reklamiert, »wie tief, breit und gründlich die Neue Rechte liest und denkt«.
Eine solche Selbststilisierung erfolgt natürlich nicht ohne strategisch-politische Absichten. Bildung hat, folgt man dem Latinisten Manfred Fuhrmann, wesentlich den »Zweck, Tradition zu sichern«.3 Die Orientierung an der Tradition ist das Antidot gegen die »Neophilie«4 von Gesellschaftsreformern und Fortschrittsenthusiasten. Nicht umsonst ist der Titel des erwähnen Sammelbands Ray Bradburys Fahrenheit 451 entliehen.
Der Roman erzählt von der Kraft der Mnemopoetik in Zeiten der Vernichtung kultureller Überlieferungstechniken. Die Figuren memorieren die Texte, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Am Ende der Geschichte trifft der Protagonist Guy Montag auf eine Gruppe aus ehemaligen Akademikern: »Fred Clement, früher Inhaber des Lehrstuhls für Literaturgeschichte an der Harvard-Universität«, ein »Ortega-y-Gasset-Forscher« und ein ehemaliger Pfarrer, dem »die Gemeinde abhanden kam«. »Wir bestehen«, lässt Bradbury ihren Anführer Granger sagen, »aus lauter Bruchstücken von Geschichte und Literatur und Völkerrecht, Byron, Tom Paine, Machiavelli, Christus, alles vorhanden. Und höchste Zeit dazu. Der Krieg ist ausgebrochen. Wir sind hier draußen, und dort ist die Stadt, hübsch eingewickelt in ihren kunterbunten Mantel.«5