Heft 876, Mai 2022

Rechtskolumne

Wie reformiert man ein kaputtes Gericht? von Florian Meinel

Wie reformiert man ein kaputtes Gericht?

Von Europa aus gesehen scheinen die Konfliktlinien der Auseinandersetzung um die Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit häufig entlang der Front zwischen progressiven Richtern und Rechtspopulisten zu verlaufen. Beispielhaft ist dafür die Eskalation der Rechtsstaatskrise in Polen, die der Verfassungsblog jüngst in einem fünfteiligen Podcast mit großartiger Akribie aufgearbeitet hat.1 Beispielhaft sind auch die öffentliche Mobilisierung gegen den britischen Supreme Court im Brexit-Konflikt oder die regelmäßigen, wenn auch inzwischen etwas verebbten Empörungswellen gegen allzu integrationsfreundliche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs. Eine Ausnahme bildet vor allem das deutsche Bundesverfassungsgericht, und zwar nicht nur, weil es aus vielen Gründen schlechter auf der politischen Skala zu verorten ist oder weil es politischen Anliegen und Themen des Rechtspopulismus zumindest keine ganz geringe Aufmerksamkeit schenkt.2 Versuche, von dieser Seite aus Stimmung gegen Karlsruhe zu machen, sind bisher weitgehend unterblieben und im Übrigen gescheitert.

Justizieller Extremismus

Dass die gegenwärtigen Konflikte um das »governing with judges«, wie es der amerikanische Verfassungsrechtler Alec Stone Sweet vor mehr als zwanzig Jahren genannt hat, tiefer reichen, zeigt nicht zuletzt der Vergleich mit dem amerikanischen Supreme Court, für den Präsident Biden mit Ketanji Brown Jackson im Februar zum ersten Mal in der Geschichte eine schwarze Frau als Richterin nominiert hat. Der Oberste Gerichtshof hat seit den 1970er Jahren eine weitgehend stabile Mehrheit aus von den Republikanern nominierten Richterinnen und Richtern.

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