Sinneskolumne
Wahrnehmung unter »Hygieneregimen« von Bodo MrozekWahrnehmung unter »Hygieneregimen«
Viren entziehen sich der menschlichen Wahrnehmung; sie machen sich erst durch Symptome bemerkbar. Die Zumutung, die aus dieser Nichtwahrnehmbarkeit resultiert, findet nicht nur in der lautstark artikulierten »Corona-Skepsis« ihren Ausdruck, die teils einen radikalen Sensualismus in Anschlag bringt, der sich weigert, Phänomene, die der eigenen Anschauung nicht unmittelbar zugänglich sind, als real zu akzeptieren: von der Aussage, man kenne persönlich keine Infizierten, bis zur Behauptung, die von offizieller Seite vorgelegten wissenschaftlichen Visualisierungen des Pandemiegeschehens gingen an der Realität vorbei.1 Auch in zahlreichen Zeitungsüberschriften, in denen von der »unsichtbaren Bedrohung« die Rede ist, schwingt das Staunen mit, eine Gefahrenquelle, die man »mit bloßem Auge« nicht sehen kann, könne lebensbedrohlich sein.2 Wie also sehen wir das Virus?
Das Virus sehen
In der Regel als stachlige Kugel, meistens in Rot. Dieser Umstand ist bemerkenswert, denn Viren haben keine Farbe. Sie sind kleiner als die Wellenlänge sichtbaren Lichts und können nur unter dem Elektronenmikroskop betrachtet werden, das allerdings Bilder in Graustufen liefert. Farbige Abbildungen kommen durch eine Nachkolorierung zustande.