Twitter, Trump und die (Ent)Demokratisierung der Demokratie
von Albrecht KoschorkeDie durch den Streit zwischen Trump und Twitter ausgelöste Debatte liest sich wie ein Testfall für die Überlegungen zur (Ent)Demokratisierung der Demokratie, die Philip Manow in Aufsätzen für den Merkur entwickelt und kürzlich bei Suhrkamp in einem Essay gleichen Titels zusammengeführt hat.1
Manow zufolge ist die Herausforderung des politischen Betriebs durch populistische Bewegungen so zu verstehen, »dass wir es zunächst eigentlich mit einer Krise der Repräsentation, nicht aber mit einer Krise der Demokratie zu tun haben«. Sie sei bedingt durch eine »massive Ausweitung politischer Partizipationschancen«, mit anderen Worten durch Entwicklungen hin zu einer demokratischeren Demokratie. So habe sich in den vergangenen zweihundert Jahren das allgemeine und gleiche Wahlrecht schrittweise gegen frühere Beschränkungen durchgesetzt, wenngleich nicht überall mit voller Konsequenz.
Doch nicht nur die formale Möglichkeit einer Teilhabe am politischen Prozess wurde erweitert. Auch die politische Kultur durchläuft einen nachhaltigen Wandel, wie Manow am Beispiel des in Demokratietheorien oft vernachlässigten Parteienwesens zeigt. Er spricht von der »Krise der politischen Organisationsform Partei«. Sie ist zum einen am Niedergang der Volksparteien ablesbar, die ihre Rolle als Sachwalterinnen einer treuen Stammwählerschaft einbüßen, zum anderen an dem wachsenden Gewicht von aktivistischen pressure groups bei der Willensbildung und Kandidatenauswahl: »nicht mehr top-down, sondern bottom-up, immer weniger an die formale Parteimitgliedschaft gebunden, sondern stärker an kurzfristigen Mobilisierungseffekten orientiert, nicht mehr hierarchisch, sondern dezentral, nun völlig ›demokratisch‹, ohne den Einfluss von Repräsentanten mächtiger Interessen«.