Heft 853, Juni 2020

Architekturkolumne

Raumpraktiken in der Zeit der Pandemie von Philipp Oswalt

Raumpraktiken in der Zeit der Pandemie

Am Ende seines Lebens imaginierte der Bauhaus-Künstler László Moholy-Nagy einen Thinktank der besten Künstler und Wissenschaftler ihrer Zeit: Dieser sollte ihr Wissen zu einer »kohärente[n], zweckmäßige[n], an soziobiologischen Zielen ausgerichtete[n] Synthese« vereinen und damit den Weg zu »neuen, kollektiven Formen des kulturellen und sozialen Lebens« bereiten, welche wiederum die »Keimzelle einer Weltregierung« bilden sollten.1 In der aktuellen Krise sind die Virologen und Statistiker zu den Künstleringenieuren von heute geworden, die die gesellschaftlichen Praktiken anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse neu gestalten. Binnen weniger Wochen stellen auf dem ganzen Globus Milliarden von Menschen nahezu synchron ihre Alltagspraktiken um, ein in der Menschheitsgeschichte einmaliger Vorgang.

Doch nicht nur die Art und Weise, wie diese Änderungen in der gegenwärtigen albtraumhaften Krisensituation durchgesetzt werden, verweisen auf einen bislang unerfüllten Traum der klassischen Avantgarden. In der abrupten Umstellung der Lebensweisen erfüllen sich zugleich zwei komplementäre Konzepte der Moderne in nie dagewesener Konsequenz.

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