Die Legende vom »Konformitätsdruck«
Zur zweifelhaften Kritik an der Corona-Debatte von Markus LindenZur zweifelhaften Kritik an der Corona-Debatte
Wenn medial präsente Intellektuelle ein »Manifest« veröffentlichen, in dem sie die Unterrepräsentation ihrer Ansichten beklagen, dürfte es sich um Vertreterinnen und Vertreter einer gesellschaftlichen Minderheitenposition handeln. Dies allein sagt freilich noch nichts über die Qualität des Anliegens selbst. Spätestens seit Tocquevilles Diktum von der »Tyrannei der Mehrheit« ist bekannt, wie sehr die Entstehung integrativer Mehrheiten von pluralistischen, institutionell verankerten und gewaltenteilig organisierten Diskussionsprozessen im Rahmen demokratischer Öffentlichkeit abhängig ist. Eben hier setzt die Klage der Unterzeichner und Unterzeichnerinnen des Manifests der offenen Gesellschaft vom März dieses Jahres an.1
Neben allerlei Selbstverständlichkeiten will man »weg von der erregten Zuspitzung in den Medien, weg von Konformitätsdruck und einseitiger Lagerbildung in der Gesellschaft und weg von einem unguten Schwarz-Weiß-Denken«, womit ganz offensichtlich auf eine angebliche Diffamierung von Kritikern der Lockdown-Maßnahmen angespielt wird. Im eigentlichen Text des Manifests distanziert man sich von »Verschwörungsfanatikern, Extremisten und Demokratiefeinden«. Einige der abgedruckten Stellungnahmen prominenter Unterstützer erinnern aber zwangsläufig an die Rhetorik der Querdenker-Demonstranten, die die dargebotenen Narrative vom »Wegsperren«, vom fremdgesteuerten Journalismus, der Virologenherrschaft, dem »Totalitarismus« oder der neuen DDR dann noch mit Verschwörungstheorien à la »Great Reset« und »Plandemie« anreichern.