Heft 890, Juli 2023

Neues vom edlen Wilden

Über Dirk Oschmanns »Osten« von Konstantin Petry

Über Dirk Oschmanns »Osten«

Der Ostdeutsche als Herero

»Was ist das eigentlich bisher für ein Text?«, fragt sich Dirk Oschmann an einer Stelle seines Überraschungsbestsellers selbst: »Eine Schmähschrift, eine Tirade, eine Litanei, eine Polemik, ein undifferenzierter Redeschwall?«1 Natürlich ist die Ratlosigkeit des Autors gespielt. Doch die Frage lässt sich in der Tat nicht so einfach beantworten. Oschmann agiert in seinem Buch auf mindestens drei Ebenen, einer polemisch-diskursiven, einer narrativen und einer argumentierenden. Die unterschiedlichen Schichten durchdringen und überlagern einander allerdings zugleich so häufig, dass es schwerfällt, sie auseinanderzuhalten.

Zunächst einmal präsentiert Der Osten die Suada eines Mannes in seinen Fünfzigern, der in Thüringen geboren und schließlich, nach akademischen Stationen, die ihn auch in die USA geführt haben, als erster Ostdeutscher »regulär auf eine Professur in der Neueren deutschen Literaturwissenschaft berufen worden ist«. Zu Beginn des zweiten Kapitels stellt er sich selbst so vor: »Ich bin ›Ostdeutscher‹. Das heißt, ich bin Rechtshänder und Linksfuß, passionierter Radfahrer, Professor für Neuere deutsche Literatur, Staatsbeamter auf Lebenszeit, privat versichert, verheiratet, lebe in einer zentrumsnahmen Altbauwohnung in Leipzig, der am schnellsten wachsenden Großstadt Deutschlands. Ich kaufe gern im Bioladen um die Ecke und im italienischen Feinkostgeschäft drei Straßen weiter und wähle seit 1990 die Grünen, obwohl sie gegen die Wiedervereinigung waren, was ich ihnen bis heute übelnehme!«

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