Wieder »Nie wieder«
Bilder des Krieges von Charlotte KlonkWas haben wir gesehen? Welche Bilder haben wir im Kopf, wenn wir an den Krieg in der Ukraine denken? Die Antwort auf diese Frage fällt schwerer, als man meinen sollte, und die Schwierigkeit deutet bereits an, dass alte Muster der Erklärung nicht mehr ohne Weiteres greifen. Noch im Jahr 2001 zeigten 95 Prozent der US-amerikanischen und ein nur leicht geringerer Prozentsatz der europäischen Tageszeitungen am Tag nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York das gleiche Bild auf ihren Titelseiten: Spencer Platts Aufnahme der brennenden Türme kurz nach dem Einschlag des zweiten Flugzeugs.1 Schon der Syrien-Krieg zehn Jahre später brachte nichts Vergleichbares mehr hervor. In der zunehmend unübersichtlichen Situation nach 2011 griffen herkömmliche Medien auf eine Vielzahl von Aufnahmen zurück, welche die jeweiligen Akteure selbst auf die Plattformen der sozialen Medien hochgeladen hatten. Die unabhängige Überprüfung fiel immer schwerer, so dass gelegentlich auch öffentlich-rechtliche Nachrichtensender im Ausland in Erklärungsnot kamen, nachdem Bilder und Videos ohne Verifizierung übernommen worden waren.2
Stimmt das aber für den Krieg in der Ukraine, der uns am frühen Morgen des 24. Februar 2022 kalt erwischt und in Schock versetzt hat? Immerhin sind noch zahlreiche international akkreditierte Fotografinnen und Fotografen vor Ort, wie die Bilddatenbanken von Agenturen wie AP, Getty Images und Picture Alliance zeigen, und im Gegensatz zum Syrien-Krieg sind die Fronten klar: hier der völkerrechtswidrige Angriff der Russischen Föderation, dort der mutige Widerstand der Ukraine und die sinnlosen Opfer der grausamen Gewalt. Vor Augen stehen Bilder wie die Aufnahmen von der Flucht der Frauen und Kinder nach Kriegsausbruch, der flächendeckenden Zerstörung Mariupols vor der Einnahme der Stadt und der Massaker von Butscha und Kramatorsk nach Abzug der russischen Truppen aus dem Norden des Landes und vor der neuen Offensive im Osten.