Heft 886, März 2023

Zuhause in der Welt

Zu Amartya Sens Erinnerungen von Fara Dabhoiwala

Zu Amartya Sens Erinnerungen

Im Alter von vierzig Jahren gründete der Schriftsteller Rabindranath Tagore in einem ländlichen Teil des heutigen indischen Bundesstaats Westbengalen, etwa 150 Kilometer nördlich von Kalkutta, eine kleine Schule und gab ihr den Namen Shantiniketan – Heimstatt des Friedens. Das war im Jahr 1901. Zwanzig Jahre später rief er gleich daneben eine Universität ins Leben und gab ihr den Namen Visva-Bharati – eine Verbindung der beiden Sanskrit-Wörter für Welt und Weisheit. Das Motto: »Wo die ganze Welt in einem Nest zusammenkommt«.

Die pädagogische Ausrichtung dieser Einrichtungen war ein großes Experiment. Jungen und Mädchen wurden zusammen unterrichtet. Es gab anders als in den meisten Schulen keine körperliche Züchtigung und sowieso wenige Disziplinarmaßnahmen. Der Unterricht fand bei gutem Wetter stets im Freien unter Bäumen statt. Schöne Künste, Musik, Sport und Theater standen hoch im Kurs, auf Prüfungen und Zeugnisse gab man allgemein nicht viel. In den Pausen saßen die Lehrerinnen und Lehrer mit den Schülern beisammen und redeten über Gott und die Welt. Vorrangiges Ziel war es, die Fantasie und die Freiheit des Denkens der Schüler und Schülerinnen zu fördern und ihnen eine Vorstellung von der großen geistigen und kulturellen Vielfalt auf der Erde (und dem indischen Subkontinent) zu vermitteln. Zu diesem Zweck war der Lehrplan sehr breit gefächert und umfasste die indische Geschichte, Kunst und Literatur genauso wie die Kulturen des Westens, Afrikas, Lateinamerikas und anderer Teile Asiens.

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