Heft 867, August 2021

Digitales Theater (Sebastian Hartmann)

Über Medienverhältnisse in der Krise von Ekkehard Knörer

Über Medienverhältnisse in der Krise

Mit der Schließung der Häuser in den bisher zwei »Lockdowns« standen die Stadt- und Staatstheater in Deutschland vor einem Problem. Viele Intendanten reagierten mit Klagen, dass sie von der Politik als nicht systemrelevantes Freizeitvergnügen einsortiert wurden, in einem Atemzug mit Freizeitparks und Bordellen, nicht als das für die Gesellschaft überlebenswichtige Essential, als das sie sich sehen.1 Geklagt wurde auf vergleichsweise hohem Niveau, jedenfalls soweit es die Intendanten betraf, denn die staatlichen Gelder, die in die Hochkultur (zum Glück) reichlich fließen, wurden weiter gezahlt. Dank Kurzarbeit sahen die Bilanzen mancher Theater im Lockdown am Ende sogar besser aus, als sie es mit laufendem Betrieb getan hätten. In Existenznot also gerieten die Theater keineswegs, anders als viele Soloselbständige der freien Szene.

Dennoch war die Sinnkrise groß. Die Frage lautete: Kann es Theater geben bei geschlossenen Häusern? Oder grundsätzlicher: Wie ist eigentlich das Verhältnis der normalerweise sich auf Bühnen darstellenden Künste zum Netz? Das Kino sieht sich mit dieser Frage schon lange konfrontiert und sucht, wie einst zum Fernsehen, nun auch zu den immer erfolg- und zahlreicheren Streamingdiensten eine Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz – wenngleich es weiterhin nicht an gebildeten Verächtern der digitalen Filmrezeption fehlt. In der Schließungskrise lief mancher fürs Kino gedachte Blockbuster nun bei Netflix, Disney+ oder Apple.

Kleinere Verleihe streamten Filme aus ihrem aktuellen Programm, teils wurden die (überschaubaren) Einnahmen solidarisch mit einzelnen Kinos geteilt. Zuletzt entstand als wohl interessantestes Versöhnungsprojekt die Plattform Cinemalovers, die einzelnen kommunalen und Programmkinos eine Ausweitung des von ihnen kuratierten Filmprogramms ins Internet dauerhaft möglich macht. Auch das wichtigste öffentlich geförderte Kino der Republik, das Arsenal in Berlin, legte sich, programmatisch unter dem Namen Arsenal 3, neben seinen zwei geschlossenen Sälen einen zunächst für alle gratis geöffneten digitalen Abspielraum zu.

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