Heft 884, Januar 2023

Homestorys (IV): Behaglichkeit

von Christian Demand

»In der Praxis werden Bücher meist entlang einer Maueroder einer Wand aufgestellt, eines neben dem anderen,auf rechteckigen, parallel zueinander verlaufenden Gestellen,die weder allzu tief sind noch allzu weit auseinander stehen.«

Georges Perec (1978)

Noch bis vor kurzem galt das Thema Wohnen als intellektuell eher randständig. Mittlerweile hat der Wind sich gedreht. Nach über zwei Jahren kollektiv aufgezwungener Auseinandersetzung mit Homeschooling, Homeoffice, fluiden Quarantäneregelungen und Lockdown-Logistik werden Heim und Haus nun auf einmal als ungeheuer spannende und reflexionsbedürftige Erfahrungsräume ausgerufen. »Die Pandemie hat unser aller Beziehung zu unserem Zuhause tiefgreifend verändert«, heißt es in einer der zahllosen öffentlichen Wortmeldungen, die die Brisanz dieses Bedeutungswandels beschwören, »schließlich hat sie in unseren eigenen vier Wänden nicht weniger Chaos angerichtet als in unserer Psyche und unserem Immunsystem. Wir waren dankbar für den Zufluchtsort, den unsere Wohnungen uns boten, und zugleich verärgert darüber, dort eingesperrt zu sein; während der Lockdown-Phasen war hier der Hort des einfachen Lebens, in dem man Zeit mit der Familie verbringen konnte, aber eben auch ein Schauplatz des Leidens und der Auseinandersetzungen. Wohl nie zuvor haben wir unser Heim so sehr als einen Ort erfahren, an dem man den Wetterkapriolen des Lebens unmittelbar ausgesetzt ist.«1

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