Heft 856, September 2020

Le Roi-Machine

Der ungewöhnliche Intellektuelle Pierre Rosanvallon von Jan-Werner Müller

Der ungewöhnliche Intellektuelle Pierre Rosanvallon

»Unsere politischen Systeme können als demokratisch bezeichnet werden, doch demokratisch regiert werden wir nicht.« So beginnt Pierre Rosanvallons Buch Die gute Regierung.1 Im Lauf der vergangenen Jahrzehnte, so dessen Grundthese, habe eine politische Verschiebung weg vom Modell der Demokratie parlamentarisch repräsentativen Zuschnitts, hin zu einem Primat der Exekutive stattgefunden. In mehr und mehr Ländern lasse sich eine »Tendenz zur Präsidialisierung« beobachten, selbst da, wo es sich, wie im Fall Großbritanniens, nominell weiterhin um parlamentarische Demokratien handele.

Aber wie hätte eine wirklich demokratische Exekutive eigentlich auszusehen? Rousseau war der Ansicht, nur ein »Volk von Göttern« sei in der Lage, sich selbst demokratisch zu regieren: Zwar habe die Gesetzgebung von der Gesamtheit der Bürger auszugehen. Die Anwendung der Gesetze müsse jedoch in den Händen besonders qualifizierter Männer, einer Art aristokratischer Kaste, liegen. Rosanvallon zeigt eine Alternative zu einem derart unverhohlenen Elitismus auf: Er schlägt vor, die präsidiale Macht durch »permanente Demokratie«, ständige Interaktion zwischen Regierenden und Regierten, zu ergänzen.

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