Professionalisierungsschicksale der Neuphilologien
Replik auf Erhard Schüttpelz und Thomas Steinfeld von Eva GeulenReplik auf Erhard Schüttpelz und Thomas Steinfeld
Kühne Erkenntnisse
Es ist immer etwas Besonderes, wenn ein Einziger unter lauter verblendeten Trotteln sein Erstaunen darüber kundtut, dass der Kaiser ja gar nichts anhat. Kaiser ohne Kleider, das sind für Erhard Schüttpelz die am Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten neuphilologischen Lehrstühle und Institute, die sich rasch zu Fächern und Disziplinen weiterentwickelten. Aus Sicht der diese Initiativen scharf missbilligenden Philologie alter Schule handelte es sich bei den neuen Lehrstuhlinhabern und Institutsgründern um jeglicher Zucht entlaufene Amateure und Dilettanten, die mit allen Mitteln zurückzudrängen waren.1 Das gelang der zunächst noch herrschenden Zunft aber nicht; sie musste die Newcomer erst neben und im Laufe der Zeit auch über sich dulden. Und das, meint Schüttpelz, war der Anfang vom bis heute währenden Elend der Literaturwissenschaften.
In ihm hat die damals unterlegene Philologengeneration einen späten, aber wortgewaltigen Fürsprecher gefunden, der freilich als Medienwissenschaftler von Beruf (und Ethnologe aus Berufung) selbst einen Lehrstuhl hat, den es ohne die damals begonnene Ausdifferenzierung der Geisteswissenschaften nicht gäbe. Dass einer an dem Ast sägt, auf dem er sitzt, ist allerdings noch kein Einwand gegen Schüttpelz’ These, dass die ungebrochene »Interpretationswut« der Literaturwissenschaften dem Abfall der Neuphilologien von der reinen Lehre der Altphilologie geschuldet sei, der sich am Ende des 19. Jahrhunderts vollzog.2