Anke Stelling im Merkur

4 Artikel von Anke Stelling

Eine Armada aus Adjektiven

Wochentage wegen einzelner Identitätsmerkmale zu verdammen, ist dumm und kommt nicht infrage. Was kann der Sonntag dafür, dass Rewe an ihm geschlossen bleibt? Ich will gern mehr in ihm sehen als sein Klischee, ihn für das mögen, was ihm an sich selbst am besten gefällt. Seine relative Ruhe? Kunststück, so als Feiertag, an dem Rewe und der Rest des Einzelhandels geschlossen bleiben, er hat keinerlei Privilegienbewusstsein, der Vollidiot. Warum muss ich ihn überhaupt mögen? Es reicht, ihn zu tolerieren, seine

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Wolfgang werden

Das Gemeine an der Ratlosigkeit ist, dass nicht nur ich sie habe, sondern sie mich auch. Ich weiß nicht, wer diese Wendung erfunden hat, ahne, dass sie sich eher auf eine körperliche Krankheit als aufs Gemüt bezogen hat, damals, beim Erfinder. Gibt es überhaupt Erfinder solcher Wortspiele, kann man die für sich beanspruchen, hat man sie, oder haben sie einen? Die Ratlosigkeit ist jedenfalls allumfassend. Die Zweifel befallen jeden Satz. Die Worte zerfallen mir im Mund wie modrige Pilze – da weiß ich wenigstens, wer’s erfunden oder geschickt patentiert hat

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R. I. P. PP

Während ich auf Zuschrift oder zumindest Zuspruch warte, denke ich über Nachrufe nach. Nicht, dass ich viele zu lesen bekäme: Aus rein praktischen Gründen gehen die derzeitigen Toten allesamt an mir vorbei. Ich hab mir nämlich eine Nachrichtensperre verordnet; hier rein, da raus funktioniert bei mir nicht mehr. Die Therapeutin in der Klinik meinte, ich müsse aufhören zu katastrophisieren. »Ach«, erwiderte ich eingeschnappt – auf meinem Stuhl im Kreis der Gruppentherapie sitzend – »Sie denken also,

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Steigen, sinken, schweben

»Beware of what you wish for in youth«, hat James Joyce gesagt, und Recht hat er: Jetzt bin ich endlich Kolumnistin – mein Traumjob! – und muss gleich mal mit James Joyce anfangen, so leer und ratlos, wie ich derzeit bin. Hättet ihr mich doch früher gefragt, in den goldenen Dekaden meiner Meinungs- und Gefühlswelt, es hätte so schön werden können. Aber nein. Manche meinen, die Krise des mittleren Lebens sei so was Ähnliches wie die Adoleszenz und dass die Wechseljahre es verdient hätten, mit der

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