Steigen, sinken, schweben
von Anke Stelling»Beware of what you wish for in youth«, hat James Joyce gesagt, und Recht hat er: Jetzt bin ich endlich Kolumnistin – mein Traumjob! – und muss gleich mal mit James Joyce anfangen, so leer und ratlos, wie ich derzeit bin. Hättet ihr mich doch früher gefragt, in den goldenen Dekaden meiner Meinungs- und Gefühlswelt, es hätte so schön werden können. Aber nein.
Manche meinen, die Krise des mittleren Lebens sei so was Ähnliches wie die Adoleszenz und dass die Wechseljahre es verdient hätten, mit der Pubertät gleichgesetzt zu werden: körperliche Veränderung mit Auswirkung aufs Gemüt und Gehirn. Einfach ein radikaler Umbau, und wer den übersteht, hat Aussicht auf neue Kraft und Ideen; mich stoßen schon diese Wörter ab. »Kraft«. Und »Idee«. Mein derzeitiges Gehirn assoziiert nichts als Produktmarken: Kraft-Sauce. Idee-Kaffee.
Vielleicht, wenn der Umbau dann mal abgeschlossen ist, ist Kraft wieder was archimedisch Verheißungsvolles – das für Auftrieb sorgt, anstatt Pommes zu würzen – und Idee wieder die Basis von Idealismus – den man zwar versucht, auch bei Darboven für sich in Anspruch zu nehmen, aber Hand aufs Herz, Albert, das ist doch nichts als Marketing. Dass dir als Prototyp eines hanseatischen Außenhandelskaufmanns am »Schicksal deiner Kaffeebauern« und dem »Unternehmensgeist junger Frauen« was liegt, ist so superschnell durchschau- und elendiglich erwartbar, wie dass ich als Prototyp einer ideenlosen Kolumnistin jetzt mal kurz darüber herziehen muss.
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