Heft 918, November 2025

Falsch-falsch-falsch

von Anke Stelling

Also ich weiß nicht.

Im Rewe-Radio kam gestern früh, dass ich mit ihm den Samstag genießen soll. Darf. Muss. Nein, stimmt nicht, Rewe-Radio ist schlauer als ich, hat viel früher schon begriffen, dass der Gebrauch von Modalverben zu vermeiden ist; ich bin’s, die hier in der Nacherzählung schon wieder damit anfängt, rumstottert, unbedingt eine Art und Weise verbinden will mit den Tu-Wörtern; bei Rewe hieß es gestern einfach nur: »Mit Rewe-Radio den Samstag genießen.« Ob ich das will, darf oder muss – kann überhaupt –, das bleibt mir überlassen. Ich hab’ vier Becher Schlagsahne gekauft. Für die Schwarzwälder Kirschtorte, eine Tochter hatte Geburtstag und ist nicht mehr vegan. Isst nicht mehr vegan – ich gender’ nicht nur nicht mehr, ich hab’ auch mit der Identitätspolitik aufgehört, weil ich nicht schuld sein will am weltweiten Aufstieg der autoritären Rechten, ich denk’ und tu’ und sprech’ jetzt wieder ganz normal, und meinem Lastenrad ist Gottseidank schon vor acht Jahren die Achse gebrochen, damit fährt auch niemand mehr bessermachend durch die Stadt.

Ich mag nicht kulturkämpfen.

Ich mag überhaupt nicht kämpfen, bin so müde und traurig und hab’ Muskelkater, aber was soll eine Kolumne anderes, das kann sie doch gar nicht. Kolumnen sind Kulturkampf pur, und meine Schwester sagt außerdem, man kann sich nicht nicht verhalten, das sei ein weitverbreiteter Irrtum und eine weitverbreitete Sehnsucht, meine Schwester ist Verhaltenstherapeutin und kennt sich damit sehr gut aus. Wir telefonieren derzeit fast täglich. Weil wir die Beerdigung unseres Vaters organisieren – müssen wollen sollen – wer sonst, wir sind die Angehörigen, und es nicht zu tun, hieße, er würde von Amts wegen bestattet, behördenrechtlich, dann hätten wir aber eben das getan. Ihn behördenrechtlich bestatten lassen.

Dann wärt ihr alle mit im Boot mit euren Steuergeldern, ihr in Berlin zumindest. Beerdigungen sind Sache der Kommunen. In Berlin ist’s allerdings unschlagbar günstig, da hat der Billigbestatter Berolina vor zehn Jahren die Ausschreibung für alle behördenrechtlichen Bestattungen gewonnen, sehr zum Unmut der Branche. . Wo bleibt die Würde.

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