Heft 917, Oktober 2025

Schnelles Sterben II

von Anke Stelling

Jetzt ist er tot.

Ging dann doch schneller, als erwartet – auch wenn es noch ein paarmal hin und her ging.

Ob er fehlen wird, weiß ich nicht – ich hatte an anderer Stelle schon gesagt, dass ich Er wird fehlen als gerne verwendeten Nachrufsatz nicht besonders gelungen finde. Also schon, er hat so was Pathetisches, und wo, wenn nicht in Nachrufen und Todesanzeigen, ist Pathos angezeigt. Aber das fehlende Dativobjekt scheint mir halt schon ein Problem. Wem wird er fehlen? Wobei und wofür? Verallgemeinerung und ungefragte Wir-​Bildung ist nicht mehr zeitgemäß.

Mich erreicht die Nachricht jedenfalls in Jihlava, Tschechien. Dahin bin ich entsandt worden, wie es Schriftstellerinnen manchmal geschieht: Sie müssen Workshops geben und Lesungen abhalten und fremde Gegenden erkunden, um dann darüber zu schreiben. Nein, dürfen. Dürfen, müssen, können – ich wollte schon länger die Modalverben weglassen, weil sie zu Verwirrung führen. Ich lasse die Modalverben weg.

Bin also momentan in Jihlava, wer’s nicht kennt: Das ist die Hauptstadt von Kraj Vysočina, der Region Hochland, und war mal schwer reich und zukunftsreich. Inzwischen nicht mehr, heute ist Bosch der wichtigste Arbeitgeber, lässt hier seit Anfang der Neunziger Dieselmotoren und -​motorteile fertigen – auch nicht mehr zeitgemäß, mal sehen, wie lang es noch geht.

Ich weiß nicht genau, was ich hier mache. Fertige Satzteile an, lasse die Stadt auf mich wirken, um dann zu prüfen, ob irgendwas an oder in ihr sich mit mir und meinen Sätzen verbindet. Meistens funktioniert das schon irgendwie. Wenn sich’s vielleicht auch nicht nachweisen lässt.

Es riecht schlimm.

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